23.01.2024

Briefe



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ID: 22663
Geschrieben am: Samstag 10.01.1874
 

Berlin, den 10. Januar 1874.
Lieber Johannes,
ich bin zwar eigentlich sehr in Erwartung einer Antwort, auf Nachrichten von Dir überhaupt, möchte aber doch nicht säumen, für das gestern abend erhaltene Telegramm zu danken, das nun aber doppelt mich einen ausführlichen Bericht ersehnen läßt, ich glaube Gutes davon doch nur, wenn ich’s von Dir höre.
Ach, wie habe ich geseufzt, daß ich überall fern sein muß, wo ich musikalische Freuden haben könnte! – Welch ein freudloses Dasein ich jetzt führe, kannst Du Dir nicht denken. Selbst künstlerisch untätig, höre ich auch nichts, was mir im geringsten Freude machen könnte, habe nicht ’mal Verkehr mit irgendeinem, mit dem man nur von Musik sprechen könnte! Einen Teil meines Engagements mußte ich nun schon abschreiben, denn mit meinem Arm bleibt es immer dasselbe, obgleich der Arzt die feste Zuversicht auf baldige Genesung nicht aufgibt. Die Kälte ist eben jetzt auch schlimm, gerade für solche Leiden. Wie sehr das auf mein Gemüt drückt, kann ich nicht beschreiben, mehr als die schwersten Schicksale, die ich erlebt, denn diese half mir ja die Kunst tragen, jetzt aber hilft mir nichts.
Daß Du mir auf meine Anfrage wegen Leipzig, wo ich Dir schrieb, ich wolle gern dabei sein, wenn Du dort bist, gar kein Wort gesagt, mir nicht ’mal die Entscheidung mitgeteilt, hat mich recht traurig gemacht – ich hörte es von verschiedenen Seiten, nur nicht von Dir! Ist es Dir denn gar nicht lieb, wenn ich hinkomme? Und kommst Du nicht etwa vorher oder nachher hierher, wenigstens ein oder zwei Tage? Simrock sagte mir neulich, Du habest nicht Zeit – ist dem wirklich so?
Noch eines: die Kinder wollten Dir neulich schreiben, da bat aber Felix, ihm dies zu überlassen, und nun meinten sie, er habe doch vielleicht Dir nicht von ihnen aus so gedankt, wie sie es möchten auf so freudige Überraschung. Ich will’s hiermit nochmals getan haben. Felix hat sich mit dem Lied so lange gequält, bis er es nun doch wirklich kann – es war für solche Dilettantenfinger nicht leicht.
Laß mich nicht allzulang warten, lieber Johannes, sonst denke ich wirklich, Du willst mich nicht haben!
Von Herzen
Deine
Clara.
Joachim ist auf Reisen für den ganzen Monat.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Berlin
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1264ff.

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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