23.01.2024

Briefe



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ID: 22678
Geschrieben am: Mittwoch 02.02.1859
 

Mittwoch.
Endlich, liebe Clara, bekomme ich doch ein Lebenszeichen von Dir! Sahr schickte mir Deinen Brief nach. Nun will ich denn auch genug erzählen, nur möchte ich Dich vorher bitten, doch die Briefe, die poste rest. in Dresden liegen, abholen u. Dir zuschicken zu lassen; sie werden nämlich nach gewisser Zeit geöffnet.
Ich hatte in Leipzig bis zum Concerttag geglaubt, Du müßtest kommen! Ich war sehr enttäuscht als ich bis zuletzt vergebens gewartet hatte.
|2| Ich fand es in Leipzig so ennuyant wie sonst, wüßte auch nichts u. Niemand, das od. der mir besondre Freude gemacht hätte.
Mein Concert ging sehr gut, ich hatte 2 Proben. Du weißst wohl schon daß es vollständig durchgefallen ist. In den Proben durch tiefstes Schweigen, in der Aufführung (wo sich nicht 3 Leute zum Klatschen bemühten) durch ordentliches Zischen.
Mir hat das keinen Eindruck gemacht. Die übrige Musik habe ich voll genossen u. nicht an m Concert gedacht.
Gesagt hat mir Niemand was, |3| nur David natürlich lauter Schönes.
Rietz u. Sahr, die ich frug, sagten daß es ihnen nicht gefiele.
Frau Frege habe ich gleich besucht, u. dabei so herzlich an Dich gedacht daß sie mir ordentlich gefiel.
Nach öfterem Sehen muß ich aber sagen, daß ich sie nicht grade besonders liebe.
Der Faust ging recht gut, aber es war ermüdend, 3 Stunden am Klavier zu begleiten, ohne sich rühren zu dürfen u. dreinzureden.
Das Ganze an einem Abend (auch mit Orch.) aufzuführen scheint mir nicht vernünftig. Suche das lieber zu verhindern als anzuregen. Der 3te allein thut besser Wirkung als wenn |4| er nach den beiden ersten kommt; dazu sind die Stücke selten durch das geringste Band verknüpft.
Doch über alles das sprechen wir lieber einmal auch über Fr. Frege, wo ich doch ┌zu┐ kurz sein würde u. Du Alles zu hart verstehen würdest.
Hier fand ich Alles wohl. Mein Zimmer haben sie mit Stühlen u. Schlafsopha herrlich zugerichtet.
Gestern Ab. hörte ich den 2ten Theil des Weihnachtsoratoriums v. Bach in der Kirche, zieml. mittelmäßig.
Im März (24 glaube ich) spiele ich m. Concert hier (Joachim dirigirt)
<Bist Du> Kannst Du dazu denn nicht herkommen? Länger bleibst |5| doch nicht in Wien?
Wegen der Volksl. v. Herder gieb Dir doch keine Mühe, wenn Du hierher kommst, kriegst Du sie u. schön gebunden. Ein Notizbuch lag nicht bei; daß ich auch heute noch keinen diesj. Ka- Kalender <laß>habe, ist wohl etwas entschuldigend daß ich auch Dich vergaß.
Nach Berlin schickte ich Chopin etc. Thekla v. Heyse kenne ich nicht, auch nicht seine Sabienerinnen die mir sehr gelobt werden. (Auch giebt’s neue Novellen von ihm.)
Wenn Joachim einer Dame etwas Quatsch schreibt, so nimm das nicht zu wichtig, was soll man denn immer schreiben? ich habe nicht Auffallendes |6| an ihm bemerkt, besonders bei Gelegenheit des Ordens. Aber entschieden frischer u. lustiger wird er, am Ende wechseln wir unsre Charactere einmal.
Leb wohl, ich bleibe jetzt ruhig hier. Nächstens schreibe ich wieder.
Schreibe wegen des Märzen!
Herzlich grüßen Alle!
Dein
Johannes.
Den Brief v. Allgeyer will ich endlich einmal beilegen.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Hamburg
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
593-596

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,106
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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