23.01.2024

Briefe



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ID: 22757
Geschrieben am: Samstag 14.12.1878
 

Dec. 78.
Liebste Clara,
Heute kam Deine Karte u. der Czerny geht Heute noch oder Montag an Dich ab. Wenn Du gut bist radirst Du m. Bleifederstriche nicht heraus!
Die Correkturen hätte ich natürlich längst schicken können. Morgen od. Mtg. solls aber geschehen!
Ich bin nicht entzückt von dem Neugestochenen. Man könnte ja nebenbei eine billige u. deshalb eng gestochene Ausgabe machen; <für> die feierliche Gesammt-Ausgabe aber hätte ich mir hübscher u. nobler gedacht.
Ich habe immer gesagt daß ich die alten Ausgaben Schumannscher Werke bei Härtel u. einigen Andern so vortrefflich finde daß man nichts Besseres thun kann als möglichst genau nachzustechen.
|3| Das geht bis auf alle Aeußerlichkeiten. <die kein Componist> Als Redakteur hatte Sch. sich wohl gewöhnt auch an den Stecher zu denken. Ich glaube (oder weiß eigentlich) daß er sich auf das Genaueste auch um die Anordnung f. d. Stich kümmerte. Im Carneval z. B. sieht man’s deutlich. Das kurze Aveu steht an jener Stelle – des Platzes wegen u. gar die <Sphinxe> Sphinxe! Mir ist es ganz unangenehm sie jetzt mitten auf der Seite zu sehen. Härtels sollten f. d. Gesammtausgabe wirklich so hübsch u. weitläufig stechen wie damals. Außerdem ist es für technisch schwierige Sachen angenehm<er>, der gar zu enge Druck erschwert das Lesen – (das merken wir hier freilich nicht![)]
<Bac> Außer Bach u. Händel gefällt mir überhaupt keine Gesammt-Ausgabe u. bei Härtel merkt man gar zu sehr u. oft das Viele Hineinreden, kein bestimmter Plan u. Geist da ist. Bei Chopin z. B. |2| wechselt der enge u. weite Stich ohne daß ich weiß warum, aber grade complicirte Sachen sind allemal eng u. einfache weit. Bei Mozart giebt’s schlimmere Sachen.
Sonst ist ja bei diesen Schumanniana nicht viel zu verstehen; ich habe nur immer bei einem so sorgfältigen Componisten u. Correktor den größten Respekt vor seinen Buchstaben. Das gewöhnliche Zeichen für ped. u. mißfällt mir auch. Sch. setzte in die Mitte Pedale weil er nur den allgemeinen Gebrauch desselben anzeigt, das Zeichen +o bedeutet daß es nicht gebraucht werden soll. Am Schluß vom Paganini bitte ich Dich den Pedal-Effekt genauer zu versuchen. Es ist in der alten Ausgabe ganz richtig bezeichnet.
Den Septimen-Akkord brauchst Du gar nicht anzuschlagen u. hörst ihn doch (Deine Töchter wenigstens). Es ist aber gewiß so gemeint wie es dasteht.
|4| Ich weiß noch nicht ob ich zum Neujahrsconcert nach Leipzig gehe u. – ob ich zu Weihnacht oder nach 1 Jan. nach Frankfurt komme.
Schreibe mir doch einstweilen ob Du mich zu Dir einladen kannst (Felix wegen wohl nicht.) Frank hat mich auch eingeladen aber zu Weihnacht wird er nach Wien kommen? Vielleicht frägst Du ihn? Es ist natürlich im Uebrigen nicht der Rede werth ob ich im Hotel schlafe, gut schlafe ich allenthalben.
Für das Violin-Concert könnten wir uns eigentlich nach Wiesbaden einladen lassen! Eine Motette von mir (Warum? so fängt sie an) wurde hier vorigen Sonntag gesungen. Sie hätte Dir glaube ich sehr gefallen.
Morgen ist m. C moll Sinfonie, aber nicht sonderlich – sie meinten wohl: was einmal durchgefallen das übt man nicht u. wenn es auch der Mühe werth.
Käme ich zu Weihnacht so muß ich mir erbitten daß nichts geschenkt wird! Ich thäte es freilich eigentlich so gern aber ich kann einmal nicht suchen u. wählen. Czerny gehört nicht dazu, ich hätte ihn längst geschickt aber ich glaubte Ihr hättet auf m. Rath ihn für die Schule anschaffen lassen wie sich’s gehörte.
Allerschönste Grüße
allerseits von Deinem
Johannes.
Ich bin aber doch begierig ob Du mir Schumannsche Sachen vor dem Neustich anvertraust! Das nachträgliche Besehen amüsirt mich wenig.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1479-1482

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus.Nachl. Schumann, K. 7,168
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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