23.01.2024

Briefe



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ID: 22775
Geschrieben am: Mittwoch 10.11.1880
 

Nov. 80
Liebste Clara,
Man mag schon gar nichts mehr sagen wenn Dir neue Erlebnisse vom lieben Gott zugemuthet werden! Ferdinand thut mir leid, Ihr aber ungleich mehr u. daß Ihr das in Eurem Hause durchleben müßt geht über den Spaß u. die Gerechtigkeit hinaus! Nun, hoffentlich habt Ihr denn die Freude ihn genesend ziehn zu sehen.
Das Versehen mit der Barcarolle kann ebenso, nein wahrscheinlich Faber verschuldet haben, dem ich vermuthlich d. Z. Paquete für Dich u. Härtels übergab.
|2| Bei Schumanns Album würde ich doch wohl jetzt auch 43 Stücke setzen. Aber die Zahlen bei den Sonaten würde ich lieber ganz streichen. Härtels zählen noch immer die f moll als No 3, was Dein Mann beiläufig thun mochte, da das Stück als Sonate fast 20 Jahr später als die g moll erschien. Die f moll erscheint ja in 2 Ausg. als Concert u. Sonate, hier aber würde ich bei allen 3 die Zahlen weglassen.
Von Raff’s No 9 wirst Du wohl nicht viel Plaisir gehabt haben. Was sollen wir armen Componisten letzter Classe denn aber machen? Von den meisten wird behauptet sie schreiben zuviel, mit demselben Gesicht aber schilt man den andern |3| der zu wenig schreibt. Ich begreife überhaupt nicht, wo u. wann wir eigentlich die Stunde finden in der wir schreiben mögen.
Scholz hat nicht blos eine Sonate für Viol. sondern außerdem ein Concert u. Massen kleine Sachen.
Zu schreiben braucht man aber in solchem Fall wirklich nicht, man dankt einfach u. freut sich sie nächstens zu hören.
Hier sind massenhaft Concerte u. m. Musik, namentlich Kammermusik grassirt entsetzlich. Sonntag singen sie das Schicksalslied.
Von den Ouverturen sind die Geigenstimmen schon gedruckt u. ganz unter uns – ich will auch das vierhändige drucken laßen damit Du es auf dem Weihnachtstisch hast – ich selbst komme richtig wohl später da ich bis mindestens Ende Jan. in Deutschland bin.
|4| Am 13ten Jan. mache ich die Ouv. in Leipzig – aber – was eigentlich für uns verführerisch klingt: am 4ten Dec. <s> machen sie in der Hochschule in Berlin m. d. Requiem u. es ist wohl möglich daß am folgenden Morgen die Ouv. gespielt werden um den jungen Leuten einen Spaß zu machen. Ich gehe nämlich wahrscheinlich hin, da ich noch niemals dort was hörte u. es doch artig u. dankbar wäre.
NB Wenn Du nächstens <das> „Einiges“ schickst so vergiß nicht m. Exemplar Deiner sämmtl. Werke beizulegen!
Billroth will u. wird mich auch wohl verführen im April nach Italien zu gehn u. zwar nach Neapel u. Sicilien. Dafür solltet Ihr auch doch einmal ernstlich Pläne machen – wäre ich nur dazu praktischer würde ich mich als Führer anbieten, aber würde nicht Marmorito mitmachen nach Venedig, Florenz u. Rom? Dich u. die Deinen von Herzen grüßend
Dein Johannes.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1593-1597

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus.Nachl. Schumann, K. 7,183
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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