23.01.2024

Briefe



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ID: 22822
Geschrieben am: Freitag 30.09.1859
 

Freitag früh.
Herzliebe Clara,
die erste ruhige Stunde gehört Dir. Ich packte eben um in eine bessere Stube, wo ich nun bleiben will, da war denn Dein Briefchen das erste was mir nachgeschickt wurde.
Vor Allem muß ich noch von m. reizenden Hamburger Frauenchor schreiben.
O meine lieben Mädchen wo seid Ihr!
Gar nicht umsehen werde ich mich wenn sie mir hier die hübschen Sachen vorsingen die ich Euch schrieb, alle 40 werdet Ihr vor mir stehn u. ich werde Euch in Gedanken sehn u. hören.
Ich <denk[?]> sage Dir, eine der lieblichsten Erinnerungen ist mir dieser Frauenchor, u. nun denke Dir die hübsche Trichterform desselben. ┌Erst der Große dann┐ ein Kleinerer, dem ich Volkslieder 3stimmig |2| setzte u. einübte u. dann der noch kleinere der nur einstimmige ┌Lieder┐ von mir vorsang u. rothe Bänder schenkte!
Montag in der Kirche! Das war ein rührender Abschied! Alles wurde noch einmal gesungen die Zuhörer konnten sich über solch Concert freuen.
Als ich den Nachmittag nach Hause kam, fand ich ein Kistchen. Unter Blumen reizend versteckt, fand ich ein silbernes Schreibzeug „zum Andenken an d. Sommer 59 vom Frauenchor!“
Was werden nächsten Sommer da für Lieder kommen u. für Freudenpsalmen!
Eigentlich wird wohl schon etwas Cultus in Hbg. mit mir getrieben; das kann aber gar nicht schaden, denke ich. Ich schreibe wenigstens im mer lustiger u. es tönt in mir als müßte mit der Zeit Himmlisches herauskommen. Nächstes Jahr mußt Du die lustige Wirthschaft mitmachen! Es wird Dir wohl gefallen |3| u Du wirst, denke ich förmlich in den häßlichen Winter hineinspringen.
Es wäre mir sehr recht u. lieb wenn Hiller was von mir aufführte. Aber Stimmen schicke ich nicht damit das Comite prüfe; Hiller aber gern die Partitur zu dem Zweck.
Empfiehl ihm Concert, erste Serenade, dann Ave Maria u. 13ten Psalm für Frauenchor mit kleinem Orchester (Beides) u. Begräbnisgesang mit allen Blaseinstrumenten (gemischter Chor.) Hier wird mit den 3 letzten Sachen angefangen. Auf das Ave Maria waren meine Mädels toll; wenn Du sie nur nicht mitleidig belächelst.
Ich habe nun schon Alle hier besehen u. hätte eigentlich genug. Wenn Du nur kommst!
Hast Du übrigens ernste Bedenken Dir was zu vergeben so weiß ich nichts anders als die ganze Sache ruhen u. vergessen zu machen, denn ich kann unmöglich jetzt andre Bedingungen vorschlagen.
Uebrigens bilden ┌sie┐ sich hier wohl nicht ein |4| daß Du des wenigen Geldes oder <Ihr>ihretwegen kommst. Aber ich bildete mir ein (oder bilde mir <doch>┌noch┐ ein) Du kommst meine Opera zu hören. Schreibe mir doch zu welchen Zeiten Du es immer einrichten kannst, damit ich <es> einrichten kann daß Du recht viel hörst.
Grüße Woldemar, ich wünsche ihm Glück. Frage ihn wie es mit Schiller u. Göthes Briefwechsel stehe, ich hoffe der findet einmal wieder den Weg nach Hamburg (nicht hierher.)
Tausendmal grüße ich Dich u. bitte dies für einen etwas vernünftigen Brief zu halten, trotz der wohl unerlaubten Schwärmerei für 40 Mädchen.
Grüße auch Frau u. Fräuleins Deichmann u. lebe recht wohl.
Schone Dich u. reibe Dich nicht an Hiller’scher Musik gänzlich auf.
Ganz der Deine
Johannes.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Detmold
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Mehlem
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
651-654

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,112
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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