23.01.2024

Briefe



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ID: 22867
Geschrieben am: Dienstag 05.11.1889
 

Liebe Clara,
Es ist mir gar zu schöner und freundlicher Gedanke wie meine D moll
Sonate unter Deinen Fingern sanft u. träumerisch spazieren geht. Ich
habe sie wirklich auf ’s Pult gelegt u bin ganz sinnig u. sanft mit durch das Orgelpunkt-Gebüsch gegangen. Immer Dich zur Seite – u. ein besseres Vergnügen habe ich nun einmal nicht, als wenn ich an Deiner Seite sitze, oder, wie diesmal spazieren gehe.
|3| Nun aber muß ich vor Allem ein paar Worte für Deine geehrte Museum-Direktion sagen, die Du wohl so gut bist gelegentlich weiter zubesorgen.
Wie gern würde ich m. Trio dort spielen! Das wäre nämlich ein Zeichen, daß mir’s doch so ungefähr gefiele! Leider thut’s das aber nicht, nicht im Geringsten, u. da ich diese Freude nicht habe, muß ich auch auf jene verzichten!
Da laßen wir denn auch wohl die 4te Sinfonie besser dem Alten!
Jedenfalls wird er mit mehr Eifer u. Liebe dran studiren wie ich u.
daß die Musiker animirt werden durch einen fremden Dirigenten, ist nur |2| eine halbe Freude, die andre Hälfte nimmt der Gedanke an den Alten u. s. w.
Hast Du gehört daß Wüllner neulich (vor dem Faust) die 4te Sinf. von
Sch. in der ersten Instrumentirung gemacht hat?
Er hat große Freude daran gehabt u. denkt daran Härtels darüber zu
schreiben. Wenn diese nun eine Herausgabe beabsichtigten, wäre Dir das recht?
Und wäre Dir in diesem Fall auch recht daß W. dies besorgte?
Er ist ein ganz vortrefflicher Redakteur, wie er oft (auch z. B. in der großen Bach-Ausgabe) bewiesen hat.
Du solltest Dir eigentlich mal anhören wie sich das Musikmachen in
Cöln geändert hat! Nächstens würde W. Dir auch m. Festsprüche u. andere Motetten vorsingen laßen können u. gewiß wunderschön; ich bin grade dabei ihm Alles hin zu besorgen.
|4| Wir leben hier jetzt unter dem Zeichen des Phonographen u. ich
hatte Gelegenheit ihn oft u. behaglich zu hören. Du wirst genug über das neue Wunder gelesen haben oder es Dir beschreiben laßen; es ist wieder als ob man ein Märchen erlebe. Morgen Abend hat es Dr. Fellinger bei sich zu Haus – wie gemüthlich könntest Du nun dabei sitzen – unter Umständen!
Nun aber lebe einstweilen recht wohl – bis gleich, sagt man am Rhein, grüße die Fräuleins u. sonst Einen u. die Andere.
In aller Liebe
Dein
Johannes.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1921-1924

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus.Nachl. Schumann, K. 7,227
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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