23.01.2024

Briefe



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ID: 22868
Geschrieben am: Montag 23.12.1889
 

Liebe Clara,
Ich war in Versuchung mir wieder einmal den feierlichen Zug Deiner
Schülerinnen zu Weihnacht anzusehen oder vielmehr den lustigen, denn nur Du saßest feierlich u. ernst am Clavier wie eine Priesterin im Tempel bei ihrem heiligen Feuer. Das aber machte die Geschichte eben so lustig u. schließlich haben wir uns ja Alle königlich gefreut u. amüsirt.
|2| Ja, nun werde ich Morgen allein hier sitzen u. wie heute des Abends allein in’s Wirthshaus gehen! Anfragen hätte ich doch müßen. Mir hätte es wohl gepaßt, denn zum 4ten Jan. bin ich ja nach Fr. ausdrücklich eingeladen.
Da hätte ich denn inzwischen in Meiningen u. sonst wo artig sein
können. Eigentlich wär’s gar nicht so übel gewesen. Du siehst aber, was ich mit Schrecken merke, ich bin gar nicht in dem richtigen Fahrwaßer zu einem Weihnachtsgruß. So ein einschichtiger Herr merkt auch nichts von derlei hübschen Sachen, nur der große, schöne |3| Tannenbaum, der in m. Zimmer steht (für die 2 Knaben meiner Wirthin) erinnert mich daran – Morgen wird’s wohl ein u. der andre frdl. Gruß thun. Euch aber wünsche ich von Herzen daß Euch die Kerzen recht hell u. fröhlich in’s Herze scheinen; Morgen bei Euch, so wie ich es in Gedanken wieder mit erlebe u. Uebermorgen vermuthlich bei Frau Elise höchst pompös!
Mit Scheu u. einiger Wehmuth denke ich <an>wie◊1 Stockhausen
sich seine Festtage zurichtet! Ob ihm vor dem Fest u. dem Berliner Concert behaglich zu Muth ist? – u. hernach?! Und ist bei der Gelegenheit 3 Tage von seinem Liebchen getrennt? Ich wette sie geht mit!
|4| Zum Mai (hoffentlich aber auch schon vorher einmal) sehen wir uns dann vielleicht am Rhein? Joachim will mich gar zum Clavierspielen verführen! Ein wenig zuhören möchte ich u. recht viel spazieren gehen.
Herzogenberg’s geht es ja sehr gut, aber ihr hübsches Häuschen in
Berchtesg. wollen sie verkaufen! Das könnten ja wohl Frl. Eugenie u Fillu in Compagnie kaufen u. bewohnen?
Nun wünsche ich denn nochmals allerseits recht selige fröhliche
Weihnachtszeit u. hörte gern wie vergnügt Ihr gewesen seid.
Von Herzen grüßend
Dein
Johannes

  Absender: Brahms, Johannes (246)
Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1926ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus.Nachl. Schumann, K. 7,228
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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