23.01.2024

Briefe



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ID: 22882
Geschrieben am: Montag 18.08.1890
 

Liebe Clara.
Das herrliche Wetter jetzt wird Dich wohl veranlaßen länger dort zu bleiben Möchtest Du nicht für alle Fälle eine Corr-Karte mit m. Adreße hinlegen, um mir s. Z. zu melden wann u. wohin Du gehst?
Vielleicht sehe ich Dich doch dort oder in B.-Baden – aber ich will nicht von m. Reiseplänen anfangen – so wenig wie von m. Werkstatt. Ach Gott, ich habe mir niemals eingebildet zu den Glücklichen zu gehören die eine „Werkstatt“ haben! Und ich will doch gar nicht |2| läugnen daß ich glaube ihr Glück bisweilen auf das Schönste empfunden zu haben.
Also, Reise- u. Werkstattpläne gab es auch heuer genug, aber es wird nicht viel davon bleiben. Von Letzteren vielleicht für ein paar Proben in Deinem Zimmer. Wenn ich damit aber etwa ein Streichquintett meine, so ist doch ein Unglück daß mein erstes (F dur) wohl eines meiner hübschesten Stücke ist!?
Denke Dir: Kirchner will zum 1ten September nach Hamburg übersiedeln! Und zwar, wie mir Rappoldy wenigstens ausdrücklich |3| u. klar u. deutlich schreibt, ohne irgend besondere Veranlaßung oder Hoffnung zu haben, nur um zu versuchen ob er dort besser durchkommt als in Dresden!!! Er scheint auf m. Empfehlung zu rechnen, aber abgesehen davon daß ich gar keine Verbindungen dort habe, heißt in diesem Fall ja „Empfehlung“ ganz einfach: „Gieb mir 1 000 Mark“!
Es interessirt Dich vielleicht daß meine beiden ersten Sinfonien im Arrang. für 2 Cl. erscheinen. Leider nicht von mir (ich schreibe gern für 2 Cl.) aber vielleicht zu Deiner u. andrer Freude höchst sorgsam u. fleißig gesetzt von Rob. Keller, namentlich durchaus möglichst leicht spielbar u. gar nicht anstrengend durch Oktaven u. Tremolo’s!!!
|4| Kandersteg kenne ich sehr gut, die Kander fließt in den Thuner See. An die schöne Natur dort denke ich gern. Aber länger leben ┌dort┐, daran denke ich nicht.
Hier müßtest Du mich als Rektor Müslin, als Kinderfreund sehen! Es giebt keine liebenswürdigeren u. angenehmeren Menschen a. Kinder; <solche[?]> ich gehe nicht aus, ohne daß mir das Herz lacht u. ich die Empfindung eines frischen Trunkes habe, wenn ich so ein paar allerliebste Kinder gestreichelt habe. In Italien ist es auch so – nur spricht man dort kein so gut verständliches Deutsch. In Baden freue ich mich auch der Menschen, nicht aber in Baiern oder gar der Schweiz. Ich rede von den Menschen die ich nur auf der Straße sehe u. kenne – die mir aber wichtiger sein mögen als die meisten die ich in den Häusern kenne. Ernsthaft bin ich selbst genug zu Haus, ich freue mich beim Ausgehen ein freundliches Gesicht zu sehen. Nun denke ich an Dein freundlichstes u. liebstes u. grüße von Herzen. Dein
Johannes.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
Absendeort: Ischl
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Vordereck/Obersalzberg
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1959ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus.Nachl. Schumann, K. 7,236
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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