23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 22891
Geschrieben am: Montag 02.04.1860
 

Montag früh.
Von einer schönen Woche habe ich Dir zu schreiben liebe Clara; ich möchte Du hättest sie mitgemacht, oder kämest das nächste Mal u. sähest wie hübsch es hier sein kann.
Am Freitag war Graedeners 2tes Concert. Genoveva-Ouv., eine Ouv. von Händel, Cantate v. Bach, ein Heilig von Em. Bach etc. u. das Concert von Joachim!
Was wirst Du für Freude über dies Concert haben wenn Du es wieder hörst! Es ist prächtig geworden. Der erste Satz besonders von so maaßvoller Schönheit u. so ruhig |2| innig warm, daß es eine Freude ist. Ohne daß doch sonderlich viel anders ist erscheint doch die vorjährige Lesung wie eine etwas wilde Skizze gegen dies schön geformte Kunstwerk.
Du hättest eben zuhören müßen[,] beschreiben thue ich nichts.
Es ist übrigens so einfach klar u. so wohlthuend der Eindruck daß es allerwärts wie hier auch dem Publikum gefallen muß.
Ich mußte mein Directions-Talent zeigen. Seit Detmold habe ich es nicht gesehen u. er <kam> stieg aus dem Wagen um sofort in die Probe |3| zu gehen. Ich habe es dirigirt, zu meiner ganz absonderlichen Freude.
Lustig wurde jeder Abend zugebracht, aber der am Sonnabend war besonders reizend. Das schafften meine Mädchen, die ich zusammenrief, Joachim zu Ehren oder eigentlich ihnen zu Ehren.
Ich hatte eigentlich die Sache aufgeben wollen u. zu diesem Dienstag, dem letzen [sic] Abend angesetzt. Nun war’s reizend: Ich hatte Joachim von einem Mädchen gesagt die schwarzes Kleid trüge, als wir kamen ren sie Alle in schwarz! Trotz der Freude an Joachim wollten sie um das Ende unsrer Abende trauren. Ist das nicht nett?
|4| Eine Harfe war leider nicht zu schaffen.
Zwei schlechte Hornisten bliesen mit. Joachim hat höchstes Behagen an der Sache gefunden u. ich mußte ihm versprechen kein Fine zu machen.
Es ist auch ganz hübsch. Die Mädchen sind so nett frisch u. enthusiastisch ohne je süß u. sentimental zu sein.
Beim Nachhausegehn (eine Stunde Wegs) regnete es leider. Sonst wird unterwegs prächtig gesungen u. Ständchen gebracht.
Meine Mädchen marschiren nämlich ungenirt mit in einen Garten hinein u. wecken die Leute <d> noch Mitternacht durch ihr Singen.
|5| Wir wünschten Dich jeden Tag her. Und jetzt denke ich immer daß Du doch das nächste Mal kommen mußt.
Das könnte nun sehr hübsch zum 19ten April sein. Da spiele ich mein Concert bei Otten u. die Mädchen haben wir immer. Die würden Dir gewiß ganz riesigen Spaß machen u. Ossian, Shakespeare etc. mit Harfe u. Hörnern kennst Du auch noch nicht.
Wenn Du vor dem Mai noch zum Briefschreiben kommst so <> vergiß doch nicht mir zu schreiben ob Du Dich zum 19ten April einrichten kannst. Mir könnte keine größere Freude kommen.
|6| Gestern Nachm. haben wir Joachim nach Harburg gebracht.
Morgen Ab. haben wir wahrsch. endlich eine Harfe zu den Hörnern.
Wenn Du doch einmal dabei wärst.
M. Serenade habe ich auch vor einigen Wochen od. Monaten nach Wien geschickt. Sie ist wohl angekommen?
Ich habe mich auch manchmal über die gemüthliche Erfindung der Zeitungen <zu> gefreut!
Wenn Du mehr von Hbg. hören willst so suche dieses kund zu thun.
Ich würde doch fürchterlich schimpfen erführe ich im Mai daß Du zum 19ten April nicht kommen willst.
In innigster Liebe
Dein Johannes

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Hamburg
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
689-692

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7, 119
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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