23.01.2024

Briefe



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ID: 22896
Geschrieben am: Freitag 20.02.1891
 

Liebe Clara.
Möchtest Du mir gelegentlich mit einer Carte sagen wann u. wie lange Ihr verreist? Das „wohin“ wüßte ich gern zu meinem Plaisir. Ueber Deinen jungen liebenswürdigen Engländer wirst Du von den hiesigen Freundinnen genug hören, so brauche ich nicht den Versuch<er> zu machen sie zu ergänzen – könnte es auch nicht wohl, da ich ihn nur selten sehe. Er ist gleich sehr untergetaucht bei besagten Freundinnen, ich aber gehe nicht viel zu Leuten u. kann ihn doch nicht gut mit ins Wirthshaus locken.
|2| Du wirst viel Gutes über ihn u. sein Spiel ┌hören┐ u. das mit allem Recht. Sollte nun der Erfolg vor dem ganzen Publikum etwa nicht diesen freundlichen Präludien entsprechen, so wird Dich dies nicht beunruhigen. Wenn ich aber eine ganz unmaßgebliche Meinung drüber äußere, so bitte ich, diese gewiß nicht zu überschätzen u. nicht mißzuverstehen. Die Wiener hören anders u. besser (talentirter) zu als die Frankfurter u. ich glaube sie werden, wie ich, finden daß Hr. B. grade in dem Stadium ist, in dem seine ganz vortrefflichen Leistungen <n> den ausgezeichneten Lehrer |3| zeigen u. loben – einstweilen noch nicht eigentlich ihn selbst u. seinen Geist u. Willen. Du kennst besser als ich die Anlagen des jungen Mannes u. weißt besser ob u. wie sie sich entwickeln können. Bei Frl. Soldat, die ein energisches u. sehr lebhaft ausgesprochenes Naturell hatte, habe ich sehr auffallend erlebt, wie sie eine Zeitlang nur die vortreffliche Schülerin von Joachim war – vorher u. nachher war sie reizend sie selbst.
Aber bitte: nimm das für ein, in jeder Hinsicht unnützes u. unberechtigtes Geplauder!
|4| Sehr gegen meinen Willen erlebe ich etwas Neues. Ich leihe meinen Kopf zu gleicher Zeit dem Bildhauer u. dem Kupferstecher. Ich dachte los zu kommen, indem ich sagte, ich könne nicht zweimal sitzen – half nichts, sie vertragen sich u. zeichnen u. kneten zugleich. Laß Dich nicht verführen den Briefwechsel von Hebbel zu lesen. Du würdest zum Genuß des Schönen u. Bedeutenden darin nicht kommen, weil Dir Vieles gar zu unerquicklich u. trostlos wäre.
Gelegentlich aber sagst Du ein Wort über Eure Ferienreise
Deinem
herzlichst grüßenden
Johannes.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1990f.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus.Nachl. Schumann, K. 7,245
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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