23.01.2024

Briefe



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ID: 22900
Geschrieben am: Donnerstag 30.07.1891
 

Liebe Clara.
Laß mich gleich ein paar, wenn auch nur flüchtige Worte auf Deinen so lieben Brief sagen. Von den Meininger Herrschaften hörte ich schon daß Du dort zum 1ten erwartet würdest u. daß sie sich für den Tag bei Vossens eindrängen möchten um mit Dir zu sein.
Ich würde sehr an eine Fahrt nach B. denken, wenn nicht Alles u. Alle, die ich sehen will oder muß, gar so weit von einander wären. Ich fürchte, ich habe nur eine Hetzerei u. mir ist nun einmal nur in der Ruhe wohl. „Es wird immer leerer um Einen“! Ja, l. Cl. das ist wahr – u. nicht wahr.
|2| Wollte ich Letzteres ausführen, so wüßte ich nur zu gut Deine richtigen Einreden. Man ist vielleicht undankbar, wenn man über das, was uns schwindet, ganz auf das vergißt, was uns u zu unsrer Freude heran wächst. Aber es ist u. bleibt einmal so u. ich versuche nicht Dir die Gedanken heiterer zu machen, – das thut das Leben Dir auch oft genug u. Du empfindest es dankbar u. freudig. Die alte Frau Wagner ist gestorben! Mir eigentlich zum 2ten mal, denn ich glaubte sie längst todt! Hildebrandt hättest Du vielleicht mit der Nachricht erfreut, daß er vermuthlich nächstens den Orden pour le mèrite kriegt.
Wenigstens schrieb mir der Ordenskanzler Menzel so. Was wollte denn Alles nach Fr. – auch der gute, alte Schmitt!
|3| Nach dem Essen bei Voss werde ich Dir nicht mehr zu sagen brauchen – daß ich noch einige Sommerfrüchte am Leben laße. (Nebenbei gehört auch eine ganz niedliche Sammlung Canons für Frauenstimmen dazu.) Freifrau Heldburg wird Dir erzählt haben von einem Trio für Pf. Viol. u. Clarinette u. einem Quintett für Streichquartett u. Clarinette. Diese beiden Stücke zu hören, freue ich mich einzig auf Meiningen.
Du hast keine Idee von einem Clarinettisten wie dem dortigen Mühlfeld
Er ist der beste Bläser überhaupt, den ich kenne. <Alles> Allerdings ist diese Kunst aus verschiedenen Gründen überhaupt sehr zurück gegangen. Im Orchester sind die Bläser in Wien |4| u. mancher Orten recht u. sehr gut, aber an ihnen allein hat man keine rechte Freude.
Darauf freue ich mich also in M. vom Publikum aber fehlt leider das – oder die Beste! Ich glaube nicht daß Du hinkommst, trotz guter Absicht, trotz Theater, Orchester u. Trio u. 5tett.
Es ist schade daß Du des vielen Transponirens wegen die Stücke nicht lesen kannst. Einiges würdest Du etwa gar gleich 2 mal spielen!? (ich denke an ein sanftes Adagio.)
Den Brief v. Schumann hoffe ich noch zu kriegen, ich gab die Zeitung aus der Hand. Morgen kommt Wendt – Frl. W. grüße wenn sie dort ist u. sonst sehr Viele<s> die Dir hoffentlich den Aufenthalt lieb u. angenehm machen. Herzlichst
Dein Joh.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
Absendeort: Ischl
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Vordereck/Obersalzberg
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
2017-2020

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus.Nachl. Schumann, K. 7,249
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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