23.01.2024

Briefe



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ID: 22936
Geschrieben am: Dienstag 07.11.1893
 

Liebe Clara.
Das Beste, ja das einzige Gescheidte was ich zu schreiben habe ist ein herzlichster Dank für Deinen lieben Brief. Dich u. mich angehend. Denn was kann mir lieber sein als Dein freundlich-zärtliches Verhältniß zu m. Stücken u. was höre ich von Dir lieber als daß es Dir einigermaßen geht, Du spielen kannst u. so jugendlich an Herz u. Sinn bist wie immer.
Du leidest jetzt noch an Deinem Geburtstag u. seinen Briefen. Ich warne Dich vor dem nächsten, der noch gefährlicher u. feierlicher wird, der 75te!
Du wirst jetzt schon (wie ich) vom Festnummern musikal. Zeitungen erfahren |3| u. um Beiträge gebeten sein. Ich mache Dich aufmerksam daß das große Dimensionen annehmen wird, Du also gut thust, Dich Heute schon darauf gefaßt zu machen – d. h. durchaus immer eine ganz kurze Ablehnung zu diktiren, durch den mehr oder weniger ernsten oder schwärmerischen Ton Dich nicht verlocken zu laßen, irgend weiter auf solche Sachen einzugehen. Der Mühe werth ist derlei sicher niemals, eine Ausnahme machen, ist aber sehr gefährlich! Die Zeitungen wünschen ja nur irgend pikante Schnurrpfeifereien, ein ungedruckter Schmarrn ist ihnen wichtiger als das Beste – über das sie doch nichts zu sagen wißen.
Dagegen ist es schön u. erfreulich wenn ein gescheidter Mann aus seinem Leben erzählt – wie jetzt Hanslick.
|2| Solltest Du das noch nicht gelesen haben, so verschaffe Dir doch No 6, 7 u. 8 der „Rundschau“ vom vorigen Jahr u. Nr. 2 (u. jetzt so fort) von diesem Jahr. (Ich glaube bei Sommerhof’s die Rundschau gesehen zu haben.) Du wirst lange nicht solche Freude an Lektüre gehabt haben u. gleich zu Anfang, wo er von s. Vater erzählt, mit ganzem Herzen dabei sein.
Ich halte nun Hanslick für einen ganz ausnahmsweis „guten“ Menschen, ich meine aber Du müßtest die Empfindung u. den Glauben haben, wenn Du seine Erzählung liest.
Ich bitte Dich mir gelegentlich Eugeniens Adreße zu schreiben. Ich möchte ihr die Clavierstücke, wenn sie gedruckt sind, schicken – ohne daran erinnert zu werden!
|4| Wenn ich Dir schreibe, habe ich immer in Gedanken ein wenig das Plaisir mit Euch am Frühstückstisch zu sitzen. Aber es ist wirklich nur „ein wenig[“] plaudern ist besser als krizzeln. Das merkwürdig warme Sommerwetter bis in den November hinein wird auch Dir angenehm sein.
Ein Ueberrock ist hier noch ganz unnöthig u. man sitzt auch Abends im Freien höchst behaglich.
Nun aber mit schönsten Grüßen endlich
Dein
Johannes.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
2152ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus.Nachl. Schumann, K. 7,283
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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