23.01.2024

Briefe



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ID: 22937
Geschrieben am: Freitag 22.12.1893
 

Liebe Clara.
Seitdem hast Du auch die höchst angenehmen u. melodischen Uebungen bekommen, die Du schon vor längster Zeit gelegentlich gesehen hast. Laße Dich jedoch nicht verführen sie zu spielen oder gar daran zu üben. Auch empfiehl Deinen Schülerinnen vorsichtig im Umgang mit ihnen zu sein; sie sind sehr geeignet, der Hand allerlei Leiden u. Schaden zu thun! (der zarteren Hand!)
|2| Wenn Du mir u. m. Verleger freundlich sein willst, so kannst Du auch mancherlei zu unsern Gunsten sagen, gelegentlich der neuen Clavierstücke.
Sieh Dir andre Clavierstücke von Grieg, Kirchner u. s. w. an, wie da auf der ersten Seite 8 Takte stehen u. auf der 2ten – dieselben noch einmal. Bedenke dann gütigst was man bei uns für sein Geld kriegt! Nicht nur an schönstem Inhalt, sondern auch an Menge, an Masse! Das Es moll Stück ist auch uns allerdings zu eng gerathen.
|3| Hätten wir aber umstechen laßen, so wäre ein einzelnes Blatt hinein gekommen, was wieder für Dich u. übriges verehrtes Publikum nicht angenehm ist.
Sieh die Uebungen (mit freundlichen Augen) daraufhin an. Wie geschickt u. sparsam sie eingerichtet sind. U. s. w.
Frl. Barbi hat mich gebeten Dir zu sagen, wie gern sie Dich besucht hätte. Aber sie war nur einen Tag in Fr. u. sehr unwohl, so daß es <du> ihr durchaus unmöglich war. Mit ihrer Heirath hat es übrigens noch gute Wege, sie ist noch nicht einmal verlobt!
|4| Nun habe ich ganz vergeßen die eine Stelle im E moll-Stück zu entschuldigen oder zu vertheidigen. Aber vor Gericht ist ihr nicht beizukommen, sie ist theoretisch unanfechtbar. Es ist vielleicht wieder Rücksicht gegen das verehrliche Publikum, daß man nicht die ganze Geschichte da capo giebt. Du kannst ja indeß einfach d. c. spielen, wenn Dir die Aenderung nicht gefällt.
Nun wünsche ich noch vergnügteste Feiertage in vergnügtestem Kreis. Ich wäre auch ganz zufrieden, wenn man mich zufrieden u. zu Haus ließe.
Euch Alle aber grüße ich herzlich u. an Eurem Weihnachtsbaum würde es schon behaglich sein
Deinem
Johannes


  Absender: Brahms, Johannes (246)
Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
2157ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus.Nachl. Schumann, K. 7,284
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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