23.01.2024

Briefe



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ID: 23023
Geschrieben am: Sonntag 10.03.1895
 

Liebe Clara.
Dafür will ich denn auch sofort an den Schreibtisch u. ein Weniges plaudern. Ich hätte es gewiß gleich bei der Rückkehr gethan – wenn ich Dir von Frankfurt plaudern u. schwärmen hätte können!
Nebenbei halten die vielen Briefe ab, die ich vorfinde, der gute Willen sie zu erwiedern hindert wenigstens daran gemüthliche Briefe zu schreiben.
Also: Fidelio war sehr schön. Ich hatte nicht gedacht alle 3 Abende zuzuhören, aber ich habe keinen Takt versäumt u. das herrliche |3| Werk mit immer steigender Lust förmlich eingesogen.
Die Vorstellung war in jeder Beziehung vortrefflich u. namentlich Frl. Ternina als Fidelio (<zum> (jedenfall für diese kleinere Bühne) höchst sympathisch. Ich habe Dich oft an meinen Platz gewünscht, in einer dunklen Loge, unmittelbar an der Bühne, allein mit der Freifrau.
Gelegentlich an einem freien Morgen machte ich mir das gewohnte Vergnügen mir vom Orchester Sinfonien von Mehul, Bach u. andern, sonst nicht zu hörende Sachen spielen zu laßen u. gelegentlich |2| machten wir Abends Kammermusik u. bei fröhlichem Abendessen die heitersten musikalischen Scherze aller Art. Zwischendurch waren wir in Merseburg. Die Einlage zeigt Dir daß man dort einiges Recht hatte mich einmal selbst zu sehen.
Hier geht’s all Deinen Freunden wie gewöhnlich gut, ausgenommen Fr. Fellinger, der es weniger gut noch als sonst geht. Sie muß sogar meistens liegen, so daß ich sie noch nicht gesehen habe<n>. Morgen (Montag) hat Frau Soldat-Röger mit ihren 3 Genossinnen das erste Damen-Quartett! Haydn, Schumann D moll Trio u. Mendelssohn. (Ignaz Brüll statt des erkrankten Frl. Baumair.[)]
|4| An Deinen Kreis lieber Menschen u. Musiker denke ich ungemein gern zurück. Du solltest Dir u. Ihnen gewiß öfter die Freude machen, einfach zusammen zu kommen u. zwanglos zu plaudern. Das Beisammensein allein ist eben eine Freude (Dir doch auch?) u. Du mußt nicht denken, es gehöre immer noch was Besonderes dazu.
Stockhausen aber thut mir sehr, sehr leid! Die schlimmste Nachricht erwarte ich nicht grade, da die Krankheit schon so lange währt. Grüße ihn recht herzlich u. dann so herum in der Stadt bis Du schließlich wieder in die Myliusstr. kommst, wo dann mit seinen Gedanken wie gern u. lange bleibt
Dein Johannes

  Absender: Brahms, Johannes (246)
Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
2243ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus.Nachl. Schumann, K. 7,307
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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