23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 23072
Geschrieben am: Montag 15.08.1864
 

Liebe Clara,
da ich denn doch gern Deine Anwesenheit in etwas ersetzt hätte durch ein freundlich Schreiben so will ich <dem> dazuthun eins zu bekommen.
Aus Gastfreundlichkeit müßtest Du übrigens schreiben denn ich bin doch <nicht> weniger nach Baden als zu Frau Clara gekommen, was ich jetzt sehr merke! Es läuft hier sonst alles bunt weiter, wie gewöhnlich. Heute früh kam Rubinstein u. von andrer Seite auch Hartmann u. Szarvady, die übrigens recht grau geworden!
Hernach war Frl. Leser bei mir u. da ich Hartmann wohl Heute noch sehe, so werde ich ihm erzählen was Du über Ludwig geschrieben.
|2| Ludwig war in Carlsruhe den ganzen Tag mit uns zusammen. Ich will jetzt nicht viel über ihn plaudern, wozu man durch seine Art leicht verführt wird, – da doch jetzt grade ein hoffentlich recht gescheiter Mann bedeutender auf seinen Lebensgang vielleicht einwirken soll. Genug, das [sic] mir das kurze Beisammensein einen bleibenden Eindruck u. einen ganz besondern u. sehr lieben machte
Sein ganz originelles Wesen verhüllt nur leicht den liebeswerthesten, tüchtigsten Charakter. Man sieht nicht in ihn hinein u. so möchte jemand der nichts von seinen durchlebten Lehrjahren weiß, leicht nach beiden Seiten, zu wenig oder zu viel für ihn fürchten oder hoffen. Ich kann nur wünschen, es möge seine Ausbildung der Art sein daß sie ihn fähig macht sich selbst seinen Weg zu wählen, ist das, so möchte |3| ich ganz Besondres hoffen von ihm.
Unsre Freunde Allgeyer u. Lewy haben ihn sehr in ihr Herz geschlossen wie das dann auch nicht anders sein kann nach <mein> dem Gefühl das ich für ihn ganz nachhaltig empfand.
Sei vorsichtig mit ihm u. nicht übereilt, es finden sich selten Menschen die zum Glauben nöthigen u. ein Mensch ist leicht verpfuscht. Daß er ein technisches Fach wähle, leuchtet für’s Erste nicht ein.
Im Weitern passirt nichts, als daß m. Doppel-Sonate sich nicht blicken läßt u. am Ende der Welt verloren, wenn meine Schreibfinger keine Geduld haben.
Hrn. Benazet habe ich denn auch bald sein Geld wieder erstattet u. kann dann ja wieder so tugendhaft schimpfen aufs Spiel wie sonst.
Daß Du die kältere Gebirgsluft jetzt hier eben so gut athmen könntest hat Dir wohl Frl. Leser geschrieben?
|4| Kannst Du nicht auf der Rückfahrt Kirchner mitbringen? Ich denke nämlich wirklich noch hier zu sein „Und so saß er eines Morgens“ u. s. w.
Hier stehen lauter Grüße◊1
u. so laß einmal hören
Deinen
Johannes

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Rigi-Kaltbad
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
922ff.

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7, 134
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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