23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 23081
Geschrieben am: Montag 06.03.1865
 

Liebste Clara
<ff>rit.
Ein so großer Seufzer wird vorweg geschickt!
Allein ich hab’s fast erwartet, trotz dem ich der Tage immer in meinem Zimmer zu kramen hatte, alles hübsch machen wollte, schöne Kaffeetassen besorgte, das Geschirr putzen ließ, Zimmer-Feuerwerk kaufte! Eingemachtes!
Kurz, alles wozu Ungeduld u. liebende Erwartung treiben kann. Die späte Jahreszeit <all> hauptsächlich läßt mich „ja“ sagen zu Deinem Entschluß.
Ich habe gleich die Tage <ab> u. das Logis abbestellt u. kann nur bei mir nicht so rasch u. leicht abbestellen.
|2| Ich hoffe vor Allem Du nimmst die Sache im Ganzen u. in Jedem nicht wie sich’s für einen Christen ziemt, der mit Wollust groß u. kleine Kreuze tragen soll, sondern wie sich’s für einen Menschen ziemt, der wie Du immer hübsch seine Pflicht gethan hat, also wohl was von der Gottheit erwarten darf, außerdem auch nicht den Thiergarten gepflanzt – sein Unglück verschuldet hat.
Ich weiß wohl, es predigt sich leicht, doch Dir sollte das Herz auch nicht schwer werden von Erdensorgen – vor dem Jenseit brauchst Du so keine Angst zu haben.
Ich bin leider sehr knapp mit Geld versehen, sonst käme ich nach Prag.
Leider erwarte keine Ueberraschung.
Dagegen denke ich so sehr an Baden u. nicht erst für den Sommer, daß ich sehr |3| im Brief gesucht habe, was denn nun? Und Maria bitte ich sehr noch ein Wort daran zu wenden u. mir recht gleich zu schreiben, was geschieht? Wohin gehst Du zunächst, Wann nach Baden?
Ich höre daß Du Samstag in Prag spielst u. zwar auch mit Frl. Asten. Wäre das so bäte ich, wenns möglich ist Dieser mein Sextett, verpetschiert, mitzugeben.
Sonst das Schundstück überhaupt zu verpetschieren oder zu verbrennen.
NB. Ich habe Spina selbst gesprochen u. die nöthige Artigkeit ist ausgeübt – da wir uns überhaupt jetzt „stehen“ u. ich vielleicht nächstens Dir von herrlichen Geschäften schreiben kann. (Nicht Geld-Geschäften)
Eigentlich wäre ich wirklich gern durch ein Wort beruhigt daß Du einfach einen dicken Strich über den Winter machst |4| in Deinem Einnahmen-Buch, den Grillen kein Raisonnement erlaubst sondern allerlei Erbauliches denkst:
Die Welt ist rund u. muß sich drehn
Was Gott thut das ist wohlgethan, der die Lilien auf dem Felde u. s. f. oder am Besten gar nichts, zu ändern ist nichts zu bereuen giebts nichts für einen vernünftigen Menschen u. so heißt’s einfach voran u. durch, den Kopf oben behalten u. lauter schöne u. helle Gedanken darin, wie sich’s für ein „so prächtiges Menschenkind“ ziemt.
Ich bitte nochmal laß mich recht bald Weiteres wissen, hauptsächlich Baden’sches, damit ich mich auch danach richte.
Herzlichst für Dich u. Maria
Dein Johannes.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Dresden
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
969ff.

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7, 139
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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