23.01.2024

Briefe



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ID: 23087
Geschrieben am: Montag 24.04.1865
 

Montag d. 24ten April
Liebste Clara,
Es ist alles ärgerlich, daß Du jetzt wirklich in England bist, daß der schönste Frühling gar nichts von Dir hat, daß ich Dir <da> noch unnütze Plage mit Noten schaffe u. was alles!
Ich gehe also richtig am Samstag od. Sonntag den 29ten od. 30ten direkt nach Carlsruhe u. Baden. Mir wär’s freilich lieb – ┌da┐ <falls> die Noten doch wohl der Tage nicht mehr kommen – sie wären an Levi oder Deine Elise addreßirt. Dieweil Gotthardt sonst so beliebig durchschnüffeln kann, was auf der Post schon geöffnet werden mußte.
|2| Indeß – schließlich ist’s einerlei.
Aber schreibe mir jetzt durch Levi nach Carlsruhe. Wenn’s noch früh genug ist so bitte daß Du Joachim nicht das Chorstück zeigst – überhaupt ist es bis jetzt das schwächste wohl in besagtem Deutschem Requiem. Da dieses nun doch vielleicht, bis Du nach Baden kommst in Nichts verduften könnte, so lies hier noch die schönen Worte, womit es anfängt. Ein Chor in F dur ohne Geigen aber mit Harfe u. andern Schönheiten begleitet.
„Selig sind, die da Leid tragen
denn sie sollen getröstet werden.
Die mit Thränen säen
werden mit Freuden ernten.
Sie gehen hin u. weinen
u. tragen edlen Samen
u. kommen mit Freuden
u. bringen ihre Garben.“
|3| Den Text habe ich mir aus der Bibel zusammengestellt. Der übersandte Chor ist Nr. 4.
Der 2te geht aus b moll u. im Marschtempo:
„Denn alles Fleisch ist wie Gras
u. alle Herrlichkeit des Menschen
wie des Grases Blumen.
Das Gras ist verdorret
u. die Blume abgefallen“ etc.
So ein deutscher Text kann Dir doch so gut gefallen wie der gewohnte lateinische?
Ich hoffe sehr eine <Ga> Art Ganzes zusammenzubringen u. wünsche Muth u. Lust einmal zu behalten.
Die Asten sah ich gestern, ihr Mundwerk mahlt natürlich jetzt rüstig den ganzen Tag. Höchst unermüdlich erzählt sie von ihren Triumpfen, Verhältnissen u. Bekanntschaften. Bedauerte auch lebhaft leider, großer Ermüdung |4| wegen, Dir in Prag nicht haben spielen können, sie sei freilich schon annoncirt gewesen etc. Das ist wohl nicht so ganz authentisch?
Gestern war ich in Schönbrunn u. seinen schönen Palmenhäusern. Der Frühling hat alles schon reizend mit Grün angehaucht. Trotzdem ich keine Landparthien mache, muß ich doch Frühlings wegen, doppelt zerstreut leben. Er ist hier prächtig u. die Damen macht er gar schöner daß man oft nicht weiß wohin die Augen.
Von Carlsruhe oder Baden hörst Du bald. Es wird wohl wieder erst etwas gebummelt in C. Dann aber in Lichtenthal eine Wohnung gesucht u. auf Dich gewartet.
Recht herzlich
Dein Johannes
Grüße Marie.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: London
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
982-985

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. nachl. K. Schumann 7, 141
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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