23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 23114
Geschrieben am: Montag 06.05.1867
 

Karlsbad, den 6. Mai 1867.
Erst gestern abend bin ich hier angekommen, und mein Erstes heute morgen ist, Dir mein lieber Freund die innigsten Wünsche zu morgen zu senden – ich hoffe, sie erreichen Dich noch zur rechten Zeit am Morgen, wenn aber nicht, so weißt Du auch ohne dieses Zeichen, daß ich Deiner gedacht in alter treuer Liebe. –
Deine Wiener Freunde werden nicht verfehlen, Dich mit allem möglichen zu begrüßen, und ich hoffe sehr, Du verlebst einen heiteren Tag.
Du kannst Dir denken, wie von Herzen ich mich freute, als ich diesen Morgen zur Post schickte, meine Hoffnung auf Brief von Dir erfüllt zu sehen, und wie sehr all das Gute darin mich freute. Mit dem Theaterspiel hattest Du sehr recht, ich mache es auch immer so, daß ich den Leuten noch zu wünschen lasse. . . . .
Ich bin leider fünf Tage später hierher gekommen, als ich wollte, und muß nun auch so viel länger hier bleiben. Julie habe ich in Mannheim besucht, konnte sie aber nicht mitnehmen, weil sie sich nicht so kräftig fühlte, um hier viel laufen zu können, ich aber muß dies bei der Kur; ich hätte sie dann also oft zu Hause allein lassen müssen, das hätte immer unangenehme Erregungen gegeben, die ich aber bei der sehr leicht gefährlichen Kur durchaus vermeiden muß.
Dein Besuch, lieber Johannes, würde mich natürlich sehr erfreuen, nur würde mir der Gedanke, daß Du hier niemanden weiter kennst, also nur auf mich angewiesen wärst, peinlich sein, ich fürchte, Du würdest oft Langeweile haben und Kopfweh vom Bummeln. Mache mir lieber die Freude eines um so längeren Besuches in Baden, dort genieße ich sie sicherlich besser, und Du auch.
Ach, wären wir nur erst wieder dort.
Hast Du denn in Pest auch hübsch verdient?
Ich habe Dir in Köln 3 rheinische Eisenbahnaktien gekauft für 750 Taler. Jede zu 250 , sie standen niedrig, und da dachte ich, ich wollte nicht erst viel fragen, sondern kaufen; gern hätte ich für 1 000 Papiere gekauft, ich wußte aber nicht, ob es Dir recht sein würde, da ich gegen 1 200 Tr. dafür hätte zahlen müssen. Sie stehen jetzt 111 und steigen aber in besseren Zeiten bis auf 120 und mehr. Sie tragen 6 1/2 Prozent. Ich bezahlte ohngefähr 845 Tr. dafür. Es ist Dir doch recht? Wünschest Du, daß ich Dir noch eine Aktie kaufe (damit die 1 000 Tr. Papier voll werden), so schreibe es mir nur, ich besorge es dann durch Herrn Wendelstadt. Die Papiere habe ich, bis ich nach Baden zurückkehre, in guten Verwahrsam gegeben.
Eine Bitte hätte ich an Dich: könntest Du ’mal zu Spina gehen und ihn bitten, daß er mir einige Noten hierher schickte. – Ich würde sie natürlich in 4 Wochen wieder unversehrt zurücksenden.
Ich möchte:
Sonate op. 14
Davidsbündler } Schumann
Kreisleriana
30 Variationen von Bach
Die englischen Suiten,
E Moll-[Notenbeispiel] -Suite von Bach
Op. 106, 109, 110, 111 von Beethoven,
Op. 7, dann die D dur von Beethoven.
[Notenbeispiel]
Dann die 3 Quartette Roberts.
Deine Sextette und Serenaden à 4/m.
Was Umstände macht, das lasse natürlich weg. Viel darf ich freilich nicht spielen, aber doch etwas täglich, und das macht in 4 Wochen doch schon viel!
Wohnung habe ich noch nicht, das tut aber nichts, ich gebe auf der Post meine Adresse. Laß nur poste restante adressieren. Welches eigentlich mein Leiden, weiß weder ich noch ein Arzt, einer sagt nervös, der andere rheumatisch, ein anderer wieder anders, doch so viel glaube ich, daß die Leber dabei mit im Spiele ist, und da unter vier Ärzten, die ich im Laufe der letzten Jahre befragt, drei für Karlsbad waren, so entschloß ich mich schnell dazu.
Der Doktor war eben da und sagt, ich müsse durchaus ein Bummelleben hier führen, dürfe keine geistige Arbeit treiben, wenig schreiben, wenig spielen etc. Du kannst denken, wie schrecklich mir das ist!
Ich höre doch, was Du vornimmst? überhaupt bald wieder von Dir?
Nimm nochmals herzinnigen Gruß von
Deiner
Clara.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Karlsbad
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1067-1070

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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