23.01.2024

Briefe



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ID: 23134
Geschrieben am: Samstag 23.10.1869
 

Düsseldorf, den 23. Oktober 1869.
Lieber Johannes,
ich versuche es, mit der noch immer kranken Hand Dir einen Gruß und Dank wenigstens nach Wien zu schicken. Es war mir lieb, Dich fort von Baden zu wissen, denn oft dachte ich, wie Du morgens und abends frieren müßtest, und wie nachteilig ist die Kälte im Zimmer, wenn man sitzt und dabei den Kopf anstrengt, wodurch ohnehin das Blut zum Kopfe drängt. So möge es Dir denn bald recht heimisch wieder in Wien sein – dort hält Dir’s doch weniger schwer. Mein Kommen verzögert sich nun durch mein Hand-Leiden, ich mußte gestern leider in Leipzig auch abschreiben und habe somit an 500 Tlr. schon verloren. Welch ein Mißgeschick habe ich mir da selbst bereitet durch Unvorsichtigkeit! – Der Doktor behauptet, bis in einigen Tagen werde die Hand gut sein, dann aber muß ich doch erst wieder 8 Tage studieren, denn die Finger sind ja ganz steif geworden. Jetzt heißt es bei mir Resignation – die Vernunft hilft mir dabei.
Deine Walzer erhielt ich, und betrachte sie mir immer mit wahrem Pläsier, so reizend sind sie ediert. Ich hatte sie in Köln auf meinem Konzertprogramm, Frau Wendelstadt hatte schon die Probe bei sich sich ausgebeten. Nun, in Berlin hoffe ich bestimmt, und nicht weniger in Wien, wo Du sie mit mir spielst, nicht wahr? Wenn Du sie nicht in einem eigenen Konzerte machst, bitte, so hebe die Aufführung für meines auf . . . . .
Bruchs Stück fiel neulich in Köln gänzlich durch – ich fand mit Unrecht! Es klang manches doch recht schön. Ich fürchtete, Stockhausen würde nach dieser flauen Aufnahme heiser werden, aber er sang dann die Lieder (Nachtgesang von Schubert) so wunderbar schön und innig, daß ich meinte, ihn nie so gehört zu haben – man war förmlich wie entrückt dieser Welt! –
Reineckes Manfred macht jetzt, wie es scheint, die Runde. In Köln kommt er am Dienstag auch. Dietrich führt im selben Konzerte in Leipzig, wo ich spielen sollte, seine Sinfonie auf – es tut mir leid, daß ich sie nicht höre, auch weil ich glaube, er hatte sie absichtlich auf dies Konzert gesetzt.
In Wien grüße doch ja alle, die meiner denken. Mache mir die Freude und schreibe mir bald wieder – bis Anfang November bleibe ich hier, dann Berlin durch Ferdinand, Nr. 4 Obere Wallstraße bei Herrn Plaut. Ich will hoffen, daß ich Dir diese Adresse nicht voreilig heute schon gebe mit der noch lahmen Hand.
Sei mir herzlichst gegrüßt, lieber Johannes, und gedenke
Deiner
Clara.
Marie und Lesers grüßen wiederum. Hiller sehe ich morgen.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1136ff.

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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