23.01.2024

Briefe



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ID: 23146
Geschrieben am: Samstag 06.05.1871
 

Düsseldorf, den 6. Mai 1871.
Mein lieber Johannes,
einen, wenn auch nur kurzen, aber aus warmen Herzen kommenden Gruß will ich Dir doch zu dem morgenden Tage senden, und Dir sagen, daß ich mit allen möglichen guten Wünschen Deiner gedenken werde. Das vergangene Jahr hat Dir doch einige Künstlerfreuden gebracht, worüber ich innig froh war. In Hamburg hast Du den Tag lange nicht gefeiert – ob er jetzt ein erfreulicher für Dich sein wird? Ich fürchte unter den nicht gerade angenehmen Verhältnissen der Deinigen, daß er es nicht so sein wird wie mancher frühere, und wie ich es wünschte.
Wir sind nun vor 3 Tagen hierher gekommen, nachdem der Abschied von unsern guten Burnands sehr schwer war; Marie und Eugenie gingen gestern nach Baden, um das Häuschen wieder etwas in Ordnung zu bringen, ich mußte hier den Bitten der Leser und Bendemanns nachgeben (und tat es nur zu gern) und noch einige Tage bleiben. Montag gehe ich auf zwei Tage noch zu Seligmanns, dann Mittwoch nach Baden, wohin ich mich natürlich sehr sehne, und nun gar jetzt, wo die Kinder schon dort sind.
Mit Ferdinand irrst Du aber sehr, der kommt noch nicht, steht einstweilen noch in Frankreich, und wer weiß, wie lange noch! Vielleicht sehe ich ihn erst im Herbst, da ich im Juli nach Moritz gehen muß. Das ist recht hart!
In London ist es mir sehr gut ergangen, nur hatte ich die Unannehmlichkeit, durch Diebe, welche durch das Fenster einbrachen, bestohlen zu werden, und zwar meines ganzen Schmuckes und über 100 Tlr. Geld, so daß abgerechnet des Verlustes an manchen wertvollen Andenken, der ja nicht zu ersetzen, der pekuniäre doch über 2 000 Tlr. beträgt. Du wirst wohl davon gelesen haben, denn zu meinem Erstaunen hörte ich hier, daß es durch alle Zeitungen gegangen. Die Sache war mir natürlich sehr empfindlich und tat mir um der Kinder halber, denen es ’mal doppelte Andenken gewesen wären, sehr leid, jedoch sagte ich mir gleich, das ist ja noch lange nicht das Schlimmste, was einem zustoßen kann, und lag uns die Gefahr viel größeren Verlustes durch den Krieg so viel näher, daß ich mich meiner Undankbarkeit gegen das gütige Geschick, das mir den Sohn erhielt, schämen würde, wollte ich laut klagen über verlorenen Schmuck! – Ist es aber nicht merkwürdig, daß gerade mir, die ich mein Lebtag eine kindische Furcht vor Dieben gehabt, so etwas passieren mußte? Die armen Burnands haben mich dabei furchtbar gedauert, und hatte ich so viel an ihnen zu trösten, daß ich nicht ’mal den ersten Schreck empfand, wie vielleicht unter andern Verhältnissen! –
Ich erwarte nun bald von Dir zu hören, was Du beginnst? Ob und wann Du kömmst? Ich bin vom 10. an also dort, und zwar nicht Nr. 12 (wie Du vorigen Sommer adressiertest), sondern 14.
Herzlichen Händedruck, lieber Johannes, von
Deiner alten
Clara.

Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Hamburg
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1183ff.

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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