23.01.2024

Briefe



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ID: 23237
Geschrieben am: Freitag 21.02.1879
 

Frankfurt, den 21. Februar 1879.
Hab Dank, lieber Johannes, für Deine Zeilen, die meinem Herzen so wohlgetan haben. Soll ich Dir sagen, welche Tage wir durchlebt, ich könnte es nicht beschreiben, wie mir ums Herz war. Das Schrecklichste war, als man ihn hinaustrug – welch ein Schmerz ist das! – Ich bin aber ruhig, nur furchtbar traurig. Es war eben doch eine Erlösung, die wir wünschen mußten, es war ja zu fürchterlich, solches Leiden mit anzusehen, und daß er nun befreit ist, das gibt uns allen die Ruhe; auch Eugenie hält sich aufrecht, natürlich war sie meine ganze Sorge jetzt. Gott sei Dank ist das Frühjahr vor der Tür! Ich meine, sogar der Schmerz trüge sich leichter – sieht man das Grün erwachen – es hat etwas Tröstliches. Ferdinand war bei uns, ist aber heute wieder fort, und nun ist es recht öde, wir allein in dem großen Hause, und nichts mehr zu tun um unsern Geliebten!
Ich muß diesen Zeilen eine geschäftliche Frage anschließen, um deren sofortige Beantwortung ich Dich herzlich bitte. Du weißt, Franck hat seine Entlassung auf Forderung erhalten, und da er nun doch nicht gleich eine andere Stellung hat, so will er Stunden geben etc. Ich dachte nun, ob ich ihm etwa einige Orchester- und Chorwerke vom Robert zur Durchsicht geben sollte? Er hat Zeit und verdient dabei etwas, denn ich würde natürlich vorher mit ihm das Geschäftliche besprechen, oder, noch besser, um uns beiden jede Verlegenheit zu ersparen, Härtels bitten, die Sache zu ordnen und mir abzuziehen. Das würde Franck etwas einbringen, Dir manches abnehmen, und wir kämen auch schneller damit zurande. Du hast mir früher ’mal gesagt, daß Du Franck als Musiker hochhaltest, nicht wahr? Man würde ja auch, oder vielmehr, Du würdest ja nach einem Werke, das er durchgesehen, beurteilen können, ob er im Korrigieren Gewandheit besitzt. Ich tue natürlich nichts in dieser Sache, ohne Deine Meinung zu wissen, auch gegen Härtels, wenn Du dafür bist.
Antworte mir, bitte, sehr bald hierauf, denn man weiß ja nicht, wie lange Franck noch hier bleibt. Mir tut es sehr leid, wenn er geht – für mich ist er der einzige Musiker hier, und ein so guter Mensch, so ehrlich und offen.
Leb’ wohl, mein lieber Johannes.
Denke an Deine
Clara.
Deine Schwester schrieb mir mehrmals so teilnehmend, ich sandte ihre einige Zeilen vorige Tage.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1494ff.

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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