23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 23258
Geschrieben am: Sonntag 06.06.1880
 

Frankfurt a./M., den 6. Juni 1880.
Lieber Johannes,
das ist ja schnell gegangen mit Ischl, und wieder hast Du Dein gewohntes Glück mit dem Logis gehabt. Francks, welche eben hier sind, sind ganz überrascht. Durch sie schicke ich diese Zeilen, die nun freilich etwas geschäftlicherer Art werden, als ich es wünschte. Ich sende Dir durch Franck Op. 60, Fugen, 63, 1. Trio, 110, 3. Trio, 121, 2. Violinsonate. Wärst Du wohl so freundlich, diese Sachen gelegentlich durchzusehen – mit Ensemblesachen getraue ich mir doch nicht recht, die Verantwortung allein zu übernehmen.
Deine Sendung durch Faber habe ich erhalten, bitte Dich aber dringend um ein Wort über Op. 13 und Op. 14. Bitte, sag’ mir doch, erinnerst Du Dich nicht, ob wir mit Härtels von jedem dieser Werke zwei Ausgaben abgesprochen haben? Sie schicken mir soeben von jedem ein von Brißler revidiertes Exemplar, aber die neue Doppelausgabe. Bei den symphonischen Etüden ginge dies wohl, da sind nicht allzuviele Abweichungen, aber Op. 14 muß doch wohl in zwei Ausgaben erscheinen? Ich bitte Dich recht dringend, schreibe mir darüber, wie es geschehen soll.
Vertrauend auf Dein Gedächtnis, spare ich mir einstweilen das Suchen nach den früheren Briefen über diese Sache. Wüßtest Du es aber nicht mehr, so muß ich wohl suchen.
Wir denken Anfang Juli zu reisen. St. Ulrich liegt in Süd-Tirol, nicht weit von Bozen; wir sind aber noch nicht dafür entschieden; wollen uns erst dort in der Gegend umsehen. Einstweilen scheint einem ein Sommer dies Jahr ganz unglaublich.
Daß ich Dir die kleine Statuette noch nicht geschickt, hat seinen Grund darin, daß ich noch ein Postamentchen dazu machen ließ; ich schicke es nun an Faber.
Über das Erscheinen der Ungarischen freuen wir uns. Die neuen, denke ich, spielen wir doch auch bald einmal! Doch wohl im Herbst!?
Rudorff ist nun wirklich an Bruchs Stelle gewählt. Mein armer Bruder Woldemar ist sehr betrübt, daß man ihn umgangen, und es ist auch doppelt empfindlich für ihn, der Rudorffs Lehrer und der viel ältere ist. Der Ärmste hat eben kein Glück.
Willst Du Weiteres von uns wissen, so ist Franck wohl der beste Berichterstatter. Ich habe mich recht gefreut, ihn ’mal wiederzusehen. Leider drohen hier neue Verluste; ich höre, daß Koning sich für die Kapellmeisterstelle in Mannheim gemeldet – da ginge denn wieder ein netter Musiker. An Heymanns Stelle hier hätte ich gern einen ernsten, mir gleichgesinnten Musiker gebracht, hatte wohl auf Grabau spekuliert; aber ich kann nichts machen. Die Herren des Kuratoriums denken an Sahr und Raff – das weiß man nicht; aber wohl, daß er einen will, der Liszt, Rubinstein, kurz, die moderne Richtung vertritt!!! Er kam aber neulich und bat sehr, ob Marie und Eugenie sich nicht dazu verstehen wollten, eine Vorbereitungsklasse für mich zu übernehmen, er wollte sie dann definitiv als Lehrerinnen (d. h. nur Hilfslehrerinnen für mich) anstellen. Marie war entschieden dagegen, uns noch mehr an die Schule zu fesseln, und schrieb ab; nun aber kam Dr. Hartmann im Auftrage des Kuratoriums mit derselben Bitte, und da bekömmt es denn doch ein anderes Ansehen, und wir überlegen. Hast Du eine Meinung darüber, so teile sie mir freundlichst mit. Natürlich würden sich die Kinder nicht auf länger binden als ich es getan.
Und nun addio. Laß hören, wie es Dir in Ischl gefällt – nach Symphonien, Opern etc. darf man ja nicht fragen.
Von Herzen grüßend
Deine alte
Clara.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Ischl
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1573-1576

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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