23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 23299
Geschrieben am: Montag 29.09.1884
 

Frankfurt a./M., den 29. September 1884.
Lieber Johannes,
der Monat soll nicht herumgehen, ohne daß ich Dir für Deinen lieben Geburtstagsbrief gedankt hätte. Wäre ich nicht förmlich überflutet von Beschäftigungen aller Art, natürlich vermehrt durch Rückreise, Wieder-Einrichtung etc., Du hättest längst gehört, wie herzlich mich Dein Brief erfreut, und zwar kam er am 13. in meine Hand. Wohl war er ein da capo, aber nur in der Anrede. Sonst weißt Du es ja, wie besonders Deine Wünsche mich erfreuen. Wir feierten den Tag höchst gemütlich bei herrlichstem Wetter morgens auf dem Königssee, abends mit Herzogenbergs, zu Mittag mit meiner Schwester bei Champagner. Wir waren die letzten 14 Tage unserer Sommerferien in Hofreit, wo auch meine Schwester Cäcilie Bargiel den ganzen Sommer zubrachte. Es war nur 10 Minuten von Herzogenbergs, und so sahen wir uns viel. Deren Haus ist reizend, und Gott sei Dank geht es ihr recht gut – vorsichtig mußte sie ja immer sein. Du weißt wohl, daß er nach Berlin an Kiels Stelle geht! Ich war nicht für diesen Entschluß, aber freilich hat es ja auch manches für sich, sowohl ist es eine ehrenvolle Stelle als auch einträglich, dann sehnt sich Herzogenberg nach Verkehr mit Musikern. Ob er diesen in Berlin haben wird?!!!
Herzogenbergs hatten die Freude, ihre Mutter bei sich zu haben und zu sehen, wie sehr gut ihr das Klima dort bekommt – sie hoffen, nicht mehr die großen Reisen nach Venedig nötig zu haben.
Wir dachten natürlich nicht an Italien, d. h. für jetzt, aber vielleicht für April nach Florenz.
Sehr gespannt sind wir alle auf Deine neuen Lieder – ich möchte, Du hättest sie mir geschickt! – Auerbachs Briefe habe ich nicht, freue mich, wenn Du sie mir zugedacht hast, ich hoffe, Du bringst sie ehestens selbst. Sehr verlangt mich, von Deinen Winterplänen zu wissen, vor allem, ob Du wieder hierher und in die Nähe kommst? Das könntest Du mir bald ’mal sagen.
Dem armen Hiller geht es sehr schlecht, er hat drei gefährliche Krankheiten, jeden Tag eine schmerzhafte Operation zu überstehen, ahnt trotzdem nicht die Gefahren. Ach, ich bin ganz betrübt, wenn ich an ihn denke. Er ist auch recht schwach, kann gar nichts tun. Ich schrieb ihm dieser Tage, es lag mir so schwer auf dem Herzen, aber einem solchen Kranken zu schreiben und nichts merken zu lassen, daß man seine Krankheit für gefährlich hält, das ist doch recht schwer!
Heute kehrt Elise aus der Schweiz zurück, sie gehen in die Nähe von hier (Wilhelmsbad), bis ihr Haus einziehbar ist, leider wohl erst im November. – In Baden waren wir gar nicht diesen Sommer, nur Eugenie einige Tage bei Frau v. Guaita.
Es geht uns soweit gut, die Arbeit hat begonnen und ist uns wieder lieb, trotzdem einem anfänglich immer etwas katzenjämmerlich zumute ist.
Ich denke es doch besser, diese Zeilen nach Wien zu richten, oder solltest Du noch in den Bergen weilen bei dem himmlischen Herbst?
So sei denn herzlich von uns allen (auch aus dem 2. Stock) gegrüßt von
Deiner alten
Clara.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1706ff.

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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