Frankfurt, den 1. Mai 1885.
Lieber Johannes,
vor wenig Tagen von Berlin zurückkehrend fand ich hier Deine (oder Fabers?) freundliche Sendung. Leider aber kann ich keine Ähnlichkeit finden; nur die Haartracht und die Kopfform, alles andere würde mich nie haben schließen lassen auf meinen Mann – dennoch glaube ich, daß er es hat sein sollen. Ich erinnere mich eines Briefes von Wien, wo er von einem Maler, der ihn malte, spricht, er hat es mir damals aber nicht geschickt, und sicher nur darum, weil es nicht gelungen war. Was tut man nun aber, damit es nicht etwa kopiert und als bestes Bild in die Welt geschickt wird? Rate mir, bitte. Wäre es nicht doch das beste, Du veranlaßtest den jetzigen Besitzer, es uns zu überlassen. Hab’ noch Dank für all Deine Bemühungen, sowohl nachträglich als im voraus, wenn ich Dir vielleicht noch einige verursache.
Ich hatte noch einen schönen Beschluß des trüben Winters; in Berlin gab ich mit Joachim noch ein Konzert, das sehr brillant ausfiel – ich glaube, ich spielte frischer denn je, und das ungarische Konzert ’mal wieder zu hören, war mir eine große Freude, in vielen Jahren hatte ich es nicht mehr gehört. Was mir bei dem Konzert sehr lieb war, war, daß ich dem Woldemar die Direktion desselben übertragen konnte, der sich nach solch einer Gelegenheit seit Jahren gesehnt hatte. Das Konzert begann mit der Coriolan, die er schön einstudiert hatte. Er ist doch ein so tüchtiger Musiker, daß er ein besseres Los verdiente; er hätte es sicher, wäre er nicht gar so gerade heraus, oft da, wo es niemand verlangt und Schweigen besser wäre. Doch, da ist nicht zu helfen.
Also nach Mürzzuschlag gehst Du wieder bald? Wir wollen auch wieder nach Obersalzberg. Einstweilen genießen wir bei dem schönen Wetter den Balkon – vor Anfang Juli gehn wir nicht.
Herzlichstes
von Deiner
Clara.
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