Baden-Baden d. 15 Mai 1883.
Meine theuere Emilie,
so sehr lange hörte ich nichts von Euch, bitte sende mir ’mal ein Wort, nur kurz, wie es Elisen und Euch Allen geht? alle weiteren Nachrichten, hoffe ich bald mündlich von Dir zu hören, wenn wir im Juli durch München kommen. Wir wollen nach Vordereck über Berchtesgaden und dort, wenn es uns gefällt, 5–6 Wochen bleiben. |2| Die Luft soll dort sehr gut sein, die Verpflegung auch, ist wenigstens theuer genug, um es sein zu können. Das ewige Herumreisen ermüdet so sehr u. schafft wenig Vergnügen. Gastein habe ich aufgegeben. Vor allem möchte ich nun wissen, ob Du in München am 5–6 Juli bist? sage mir ein Wort auch von Hedi, wie es ihr geht? –
Levi sprachen wir vor einigen Tagen und fanden ihn merkwürdig |3| wohl aussehend – es scheint der Tod Wagners hat seiner Seele Ruhe gebracht – er sagt es selbst, daß er seit Jahren eigentlich immer in fieberhafter Unruhe gelebt habe.
Wir haben uns für die Pfingsttage hierher aufgemacht, um uns etwas von unserer täglichen Arbeit zu erholen, und wohnen neben unserem ehemaligen reizenden „Home“ das aber so entstellt worden ist, daß man es nur mit Wehmuth ansehen kann! es ist im Frühjahr inmitten der herrlichsten |4| Blüthenpracht himmlisch hier. Morgen gehen wir nach Frankf. zurück, schreibe mir also dorthin, liebste Mila. Ich hoffe, ich höre von Euch Anderen wenigstens Gutes – die arme Elise ist wohl kaum besser, wenigstens wußte Levi nichts von Besserem.
Leb wohl! wills Gott, sehen wir uns bald.
Getreu
Deine
Clara.
An Hedi Herzlichstes, auch grüßen die Kinder schönstens.
Donnerstag kommt unsere Elise mit Familie nach Frankf. Wo sie sich dann im Winter niederlassen, ist noch unbestimmt.
[Umschlag]
Fräulein
Emilie List.
in
München.
35 Gartenstrasse.
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