Franzensbad, den 12. August 1889.
Lieber Johannes,
fürerst danke ich Dir, freilich wohl etwas spät, für Deinen lieben Brief und den guten Rat in bezug auf Jansen, den ich unter Kampf befolgte, dann aber ganz erleichtert war. . . .
Jetzt sind wir 4 Wochen hier und denken Ende dieser Woche, leider nicht nach Obersalzberg, sondern direkt nach Baden-Baden zu gehen. Es ist dies Jahr so spät geworden, daß jetzt noch die große Reise dorthin für einen Aufenthalt von etwa 14 Tagen nicht vernünftig wäre. Wir gehen also am Sonntag nach Baden, und ist es sehr heiß, etwas auf die Schwarzwaldberge, Plättis◊1 oder Herrenalb. Wir wollen uns ’mal etwas umsehen – ich kenne ihn – den Schwarzwald – noch gar nicht. Ich kann nicht sagen, wie schwer ich von der lieben Gewohnheit des Salzberges ablasse! –
Von Herzogenbergs höre ich jetzt direkt nichts, werde sie aber wohl in Baden treffen. Denke Dir, welch merkwürdige Menschen! Neulich waren sie in der Liselei, das erstemal, seit er krank geworden, und da haben sie gleich musikalischen Nachmittag gehabt (Du weißt, die Geschwister Keller bewohnen das Haus). Was gehören dazu für Nerven! Was mußte doch ihre Seele bei dem Wiedereintritt in dies mit aller Liebe gebaute „home“, das sie mit dem Herzen voll Hoffnung verlassen hatten, bewegen?
Einen Bogen beschrieben und noch nicht einmal meine, nun aber recht warme, Gratulation angebracht. Ich hatte ja keine Idee, daß Dir mit dem Ehrenbürger so große Ehre erwiesen sei, ich glaubte diese vielmehr nur auf Hamburgs Seite. Nun, Du kannst Dir die Gesellschaft gefallen lassen. Im Herbst also gehst Du hin, warum aber willst Du Deine Chöre nicht selbst dirigieren? Dafür kann ich keinen Grund sehen. Schöne Wahl hast Du wieder getroffen, besonders mit dem letzten Text, bei dem ersten kann ich mir nicht recht klar werden, ob er jetzt zeitgemäß ist, nicht zu lange schon uns entrückt? –
Neulich besuchte mich Frau v. Beckerath, natürlich sehr traurig, aber sehr teilnehmend doch für anderes auch. Lübke war auch 8 Tage hier. Er besuchte mich einige Male, immer waren es angenehme, anregende Gespräche mit ihm.
Wie wird es nun werden diesen Sommer, werden wir uns sehen? Oder wird der Winter herankommen? Ich fürchte es fast, da ich nicht in Obersalzberg bin, was Du leicht hättest berühren können. Bitte, schreibe mir von Deinen Plänen, Baden-Baden, postlagernd.
Leb’ wohl, lieber Johannes.
Deine alte
Clara.
[Umschlag]
Herrn
Dr Johannes Brahms
Ischl
(Salzkammergut).