23.01.2024

Briefe



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ID: 23372
Geschrieben am: Samstag 21.02.1891
 

Frankfurt a./M., den 21. Februar 1891.
Lieber Johannes,
ich kann doch nicht warten, bis ich das Quintett in seiner wahren Gestalt gehört, ich muß Dir schon jetzt, nachdem ich es à 4/m. kennen gelernt, sagen, wie sehr es mich erfreut hat. Vom ersten und letzten Satz kann ich mir zwar die Wirkung noch nicht so recht vorstellen, aber ich habe doch teilweise schon am Klavier große Freude daran, im 1. Satz besonders an der Durchführung. Im letzten Satz weiß ich mir den Schluß mit dem Ungarisch noch nicht so recht zu deuten, aber ich denke mir ihn zündend von einem Quartett 1. Ranges gespielt. Der 2. und 3. Satz sind wieder neue Perlen in der Kette, mit der Du die musikalische Welt umschlungen hältst. Wie ernst, melancholisch, ist der Anfang (ich meine, ich hätte ihn schon gekannt, habe ich ihn vielleicht auf früheren Notizblättern schon von Dir gesehen?), wie so wundervoll sich fortspinnend, dann das liebliche Scherzo, das einen so sanft streichelt! – Wie freut es mich, daß wir es am 6. März hören werden, hätten wir nur ein besseres, einheitlicheres Quartett! Konings Geige klingt gar nicht mehr schön (er übt nicht mehr), und Welkers Bratsche ist gar trocken.
Werden wir Dich denn hier sehen, lieber Johannes? Hast Du in Meiningen angenommen? Ich hörte von Heermanns, Du kommst, hörte es aber lieber von Dir selbst.
Heute hat nun Borwick seine Probe gehabt, möge es morgen nur gut gehen – es wäre mir zu leid, wenn es ihm nicht so glückte, wie es doch seinem Können entsprechend sein müßte. Er schrieb mir ganz außer sich, daß er neulich bei der Franz Malheur gehabt mit Bach! Es war eine Lehre für ihn, daß man nicht mit Bach in so einer Gesellschaft (und einem so langen Bach) anfängt!
Doch für heute genug! Ich und die Kinder danken für das Quintett, und ich für Deine Freundlichkeit gegen Borwick. Laß uns bald hören, wann wir Dich erwarten können?
Von Herzen
Deine alte
Clara.

[Umschlag]
Herrn
Dr Johannes Brahms.
Wien IV.
4 Karlsgasse.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1991ff.

  Standort/Quelle:*) Umschlag: A-Wst: 55746,1b
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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