Frankfurt a./M., den 8. Juni 1893.
Lieber Johannes,
Du wußtest schon, wie ich schwärmen würde, als Du mir das wunderbare, trotz aller Dissonanzen so traurig-süße Stück aufschriebest. In die Dissonanzen legt man sich ja mit Wonne hinein, und denkt dabei an den Komponisten, wie er es tut! – Hab’ Dank für diese neue herrliche Gabe! Es ist recht verkehrte Welt, anstatt daß ich Dich zu Deinem Geburtstag, wie so gern, beschenkt hätte, beschenkst Du mich! Aber so hätte ich es ja nicht gekonnt. –
Wir haben sorgenvolle Zeit durchlebt, bei Sommerhoffs ist das Scharlach, Gott sei Dank, normal und nur bei einem der Buben. Wir haben aber doch angstvolle Tage gehabt.
Ich kam noch nicht dazu, an den armen Widmann zu schreiben, hatte große Korrespondenz ’mal wieder wegen der Jungen vom Ferdinand, . . . großen Ärger, da kann man denn gar keine Stimmung finden. . . . . .
Reizend ist Widmanns Gedicht – auch dafür Dank und nicht weniger für Deinen lieben Brief.
Daß es der Frau v. Heldburg besser geht, freut mich sehr – ich habe diese Frau ganz besonders ins Herz geschlossen, möchte, ich sähe sie einmal wieder.
Willst Du inliegende Zeilen an Ilona geben, die mir sehr beglückt von Dir schreibt.
Wir gehen nun am 1. Juli nach Schlangenbad, hauptsächlich Wald-Luft zu genießen. Dort ist meine Adresse: Villa Werner. Was nachher wird, ist noch unbestimmt.
Von hier ist sonst gar nichts zu melden, von Grüters Anstellung weißt Du sicher. Ich bin sehr froh darüber – wieder ein guter Musiker, nicht wahr? –
Wollte doch der Himmel, daß ich nächsten Winter wieder einmal Musik hören könnte! Leider dauert das Leiden fort.
Gib bald wieder ein Lebenszeichen
Deiner alten treuen
Clara.
Die Medaille habe ich noch nicht erhalten – bin sehr begierig darauf.
[Umschlag]
Herrn
Dr Johannes Brahms.
Bad
Ischl
Ober-Oestreich.
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