23.01.2024

Briefe



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ID: 23418
Geschrieben am: Freitag 02.08.1895
 

Interlaken, den 2. August 1895.
Dr. Aemmer, Lindengarten.
Lieber Johannes,
fürerst späten Dank für Deinen letzten Brief, spät aber nur, weil ich gern meine Skizzen mit beilegen wollte, die durchzusehen Du mir versprochen hattest, die ich aber in Ermangelung eines Klavieres nicht noch ’mal durchsehen konnte. Nun kam endlich gestern der Steinweg-Stutzflügel, und sollen sie heute abgehen. Du warest so freundlich, mir Deine Hilfe zu versprechen, die mir eine große Beruhigung gibt, denn mir liegt ja alles daran, daß die Skizzen (die sich ja eigentlich jeder Künstler selbst arrangieren kann) so leicht und bequem spielbar sind als möglich. Leider vergaß der Schreiber, unten ein System freizulassen, was ich ihm so eingeschärft hatte. Nun muß ich Dich bitten, auf einem Extra-Notenblatt Deine Anmerkungen zu machen. Bitte, lieber Johannes, sage mir ganz offen, was Du nicht gut findest? Ich scheue keine Mühe, denn es wäre mir schrecklich, hätte man daran auszusetzen. Eugenie hat sie an Novello verkauft, dem ich sie bis Ende d. M. einzusenden versprochen.
Du bist vielleicht mit der etwas chaotischen Schreibweise, hie und da, nicht einverstanden, aber ich dachte zumeist doch an Dilettanten, denen ich doch die Stimmführung klarmachen wollte. Dann, soll ich das Pedal durchweg bezeichnen oder nur hier und da, wo es unbedingt nötig ist? Also, bitte, bitte, freundlichen Rat! Soll ich deutsch oder italienisch bezeichnen?
Wir leben nun hier wieder ganz häuslich, sehr behaglich in einem hübschen Logis. –
Marie sorgt wie immer für alles. Käme einem nur nicht so viel Trauriges immer zu Ohren, was einen dann tagelang verfolgt. Am Rhein sind mir verschiedene wohlgesinnte Freunde gestorben, so daß ich wöchentlich Kondolenzbriefe zu schreiben hatte, dann stehen wir hier mitten in einem Falle, der uns recht nahe geht. Ein Neffe von Wachs, der Sohn der ältesten Tochter Mendelssohns, ging mit einem Freunde auf eine Tour ohne Führer, und sie kamen nicht wieder; das ist 3 Wochen her. Vater und Mutter kamen von England und lassen nun überall suchen, seit 14 Tagen schon, und immer vergeblich. Welche Situation für die armen Eltern! –
Am Rhein (Köln) starb Theodor Deichmann – Du kanntest die nette Tochter – mir war er stets ein wohlwollender Freund!
. . . . Nun danke ich nochmals für den letzten Brief, der mich höchlichst interessiert und amüsiert hat.
Leb’ wohl! Zürne nicht, daß ich Dich so viel bemühe und auch mit dem Zurückschicken der Skizzen! Ich hoffe, Du hast jemand dort, der sie wieder einpackt.
Mit den herzlichsten Grüßen von uns dreien
Deine alte
Clara.

[Umschlag]
Herrn
Dr Johannes Brahms.
Bad Ischl.
Ober-Oesterreich.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Interlaken
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Ischl
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
2256-2259

  Standort/Quelle:*) Umschlag: A-Wst: 55746,27a
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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