Düsseldorf d. 19 April 1853
Meine liebe Mila,
wohl hättest Du Recht mir zu zürnen, obgleich ich von zwei, drei Briefen, die ich nicht beantwortet, nichts weiß. Du schriebst mir einige Male, bevor wir nach Scheveningen gingen und im Letzten, daß ich nach Gotha poste restante schreiben möchte, wo wir seyen. Ich schrieb von Scheveningen aus dorthin und suchte Euch zu bewegen zu uns nach Scheveningen zu kommen und dort mit uns einige Wochen die herrlichen Seebäder zu gebrauchen; darauf bekam ich keine Antwort, hörte auch sonst Nichts von Euch, bis ich im October einen sehr artigen Brief eines Ministers List aus dem Haag bekomme, der mir den, von mir an Dich gesandten Brief nach Gotha, zuschickt, und um Verzeihung bittet, daß er ihn geöffnet; da er vom Haag aus gesandt gewesen, so habe man ihn von da zurück nach dem Haag geschickt, und ihm eingehändigt; nun kurz und gut, ich
hatte meinen Brief wieder, und wußte |2| Nichts von Euch. Nun wartete ich von Woche zu Woche, es kam kein Zeichen, dazu kam bei uns viel Hauszeug, dann viele Beschäfftigungen, so unterblieb das Schreiben von meiner Seite, bis du endlich jetzt einmal an mich dachtest und mich rütteltest! nicht mußt Du glauben, daß es möglich sey, ich könne Euch vergessen, aber, Du glaubst nicht, wie außerordentlich ich von Neujahr an beschäfftigt war, und vorher ist es mir schlecht gegangen. Denke Dir daß ich an dem Tage, als wir von Scheveningen abreisen wollten, Fausse couche machte und wir somit dort 8 Tage länger bleiben mußten; wahrscheinlich kam dieß in Folge der wirklich großen Sorge und Kummer um Robert und des Gebrauches der Seebäder, die mir der Arzt unbegreiflicher Weise erlaubt hatte. Ich kam nun ziemlich schwach und angegriffen nach Düsseldorf zurück, erholte mich jedoch bald so weit, daß ich Ende October im Abonnement-Concert spielen konnte. Robert war noch so leidend, daß er nicht dirigieren konnte, umsomehr hatte das Directorium mir zugesetzt, daß ich wenigstens in diesem ersten Concerte spielen sollte; daß ich nun da allein hin mußte, spielen, während mein armer Robert zu Hause seinen Gedanken überlassen blieb, war mir schrecklich, |3| und immer kämpfte ich mit den Thränen, dazu spielte ┌ich┐ das enorm schwere Concert von Henselt, kurz, als ich nach Hause kam, bekam ich heftigen Blutverlust, der sich im Verlaufe dreier Tage so furchtbar steigerte, daß ich mich zu Bett legen mußte, und 4 volle Wochen auf einer Stelle liegen. Du kannst Dir denken, was ich ausgestanden, denn Schmerzen hatte ich keine, mein Geist war frisch, und nur der dumme Körper quälte mich. Das war eine Geduldsprobe für mich, und manche Thräne floß. Glücklicherweise erholte sich aber gerade in dieser Zeit Robert immer mehr, so daß ich wenigstens um ihn etwas beruhigter sein konnte. Anfang December endlich feierten wir Beide unsere Genesung insofern, als Robert zum ersten Male wieder dirigirte, und ich ihn in’s Concert begleiten durfte. Wirst Du es aber glauben, daß ich starke Person lange zu meiner Erholung brauchte, und obgleich ich jetzt ganz wohl und sehr fleißig bin, so leide ich doch viel an Schwäche im Kreuz, die sich aber hoffentlich nach einigen Rheinbädern geben wird. Gott sei Dank ging es uns im neuen Jahr immer besser, Robert hat wieder herrliche Sachen geschafft, und hat jetzt vollauf <d> mit dem rheinischen Musikfest zu thuen, das sehr großartig werden wird. Du hast sicher schon davon gelesen, daß es in diesem |4| Jahre hier in Düsseldorf gefeiert wird, und von Robert und Hiller dirigirt. Das Programm will ich Dir mittheilen, oder noch <Beßer[?]> besser, ich schlage diesen Brief darin ein. Wir freuen uns sehr darauf – machtet Ihr Euch doch auch dazu auf – die Menschen kommen da aus allen Theilen Europa’s zusammen, doch Ihr sitzt da nun fest in Euerem Schönau, und scheint Euch wenig um Musik zu kümmern, was mir recht sehr leid thut! gerade mit Euch, meinen liebsten und ältesten Freundinnen, spräche ich mich über das, was mein Herz so ganz erfüllt, über die großen Schöpfungen Roberts aus, doch Ihr kennt nichts, hört nichts, und so vergeht mir dazu alle Lust. Von allen Orten her bekommt Robert die erfreulichsten Beweise von Verehrung, England fängt jetzt auch an seine Orchesterwerke aufzuführen, selbst in Wien haben sie neulich ein Streichquartett Roberts gespielt, wo das Publikum so enthusiastisch war, zwei Sätze da capo zu verlangen – Ihr aber wißt von Nichts, denn hättest Du Letzteres gewußt, Du hättest es mir sicherlich geschrieben. Robert steht jetzt mit einem großen Musikenthusiasten Carl v. Debrois und dem Dichter Hebbel, der ihm die verehrungsvollsten Briefe schreibt in Correspondenz. So viele andere uns fern stehende Menschen kennen Roberts Künstlerschaft und seinen Werth weit besser, als Ihr, und das betrübt mich oft! nun, es ist einmal so, und wird auch nicht anders werden, wenn wir nicht einmal einander wieder näher kommen.
|5| Robert spricht so oft davon, wie gern er nach Wien zöge, hätte er nur irgend eine Stellung dort, etwa als Dirigent der großen Concerte im Redoutensaale, oder auch der Anderen im Conservatoir! mit dem Orchester hat er am liebsten zu thuen. Doch ich weiß wohl, das geht nicht gleich so, da sind immer zu viel kleinliche Seelen im Wege! ja könnte man einmal einen ganzen Winter dort leben und selbst für sich wirken, doch so ohne allen Anhalt kann man nicht eine Stellung für Keine verlassen, wenn man sechs Kinder hat. Nun, ich denke, der Himmel wird’s machen, wie es sein soll! –
Deine Nachrichten von Elisens Wohlseyn freueten mich sehr – die Zeit wird ihren Schmerz gemildert haben, und in ihren Kindern wird sie Trost finden. Du schriebst mir nicht, ob Elise das Haus in Ischel diesen Sommer bewohnen wird, oder Ihr in Schönau bleibt? auch von Lina hörte ich nichts? und, warum meinst Du, daß Ihr, wenn Ihr nicht nach Italien geht, in München sein werdet? meinst Du dann mit Elise und ihren Kindern? lernt Eines ihrer Kinder schon Musik? zeitig anfangen ist eine Hauptsache bei’m Clavier! die Anfangsgründe müssen |6| die Kinder noch halb im Dusel lernen. Mit meinen Kindern, Marie und Elise, geht es so langsam vorwärts; ich gebe ihnen wöchentlich Jeder zwei Stunden, mehr kann ich nicht, und das ist freilich nicht viel, und doch immer Geduldsprobe genug. Leider haben sie so viel Schule, daß sie nicht gar viel üben können, und auch ist der Eifer, oft zu meiner Betrübniß, gering, doch Robert meint, mit dem Verstande werde das sich ändern. In dieser Hoffnung bleibe ich auch immer standhaft mit dem Unterricht – ich kann ihnen ja weiter nichts für’s Leben geben! –
Ich muß Dir nun Adieu sagen! wirst Du mir bald wieder schreiben? wohin hast Du den Brief nach Deiner Rückkehr an mich adressirt? ich habe Keinen erhalten.
Elise, Deine Mutter, Lina und Deine Schwägerin Coith grüße herzlich von mir und bleibe gut
Deiner
alten immer
treuen
Clara.