23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 25172
Geschrieben am: Freitag 23.08.1872
 

Basel 23 August
Geehrteste Frau Schumann!
Nach so vielen vergeblichen Versuchen, Sie wieder einmal bei uns begrüßen & hören zu können, wagen wirs schon im August an Sie zu gelangen, in der Hoffnung bei so frühzeitiger Anfrage uns vielleicht doch wieder einmal bezüglich eines schweizerischen Concert-Cyclus mit Ihnen einigen zu können.
Vorausetzend, daß Sie bei herannahender Weihnachtszeit Sich nicht gar zu entfernt von Baden Baden also auch nicht von uns aufhalten werden, hätte ich Ihnen für Basel & Zürich folgende ConcertAbende in Aussicht zu stellen
Basel 15 X.ber
Zürich 17 u[?] 18 X.ber
dazu vielleicht Bern am 7 X.ber[?]
Nun käme es aus den Ihnen früher mitgetheilten & leider immer noch obwaltenden Gründen, welche hauptsächlich für Basel bei unsern beschränkten ConcertRäumen angesagt[?] sind, hauptsächlich auf die Honorarfrag[e an], |2| & da bin ich sowohl für uns als im Namen der mit uns verbündeten Schweizerstädte so frei, Sie anzufragen welche Bedingungen Sie uns bei einer, wie Sie sehen, ziemlich raschen Reihenfolge der Concerttage stellen würden – wenn Ihnen überhaupt Ihre sonst bereits eingegangenen Engagements das Auftreten in der Schweiz zu genannter Zeit gestatten.
Sollten in letzter Beziehung Hindernisse obwalten, so wären uns Ihre Vorschläge wegen allfallsiger Zeitverlagerung angenehm. Unsere Concerte finden von Ende Octb. bis Anfangs März fast alle 14 Tage statt. Die vorgeschlagenen Decembertage wären aber für uns & Zürich am Passendsten.
Wie ich höre, haben Sie auf dem Rigi einen angenehmen Aufenthalt gemacht & daselbst viel musiciert. Wie Schade, daß ich während dieser Sommerferien fast gar nicht abkommen konnte um Sie daselbst wenigstens zu begrüßen!
Auch jetzt möchte ich Ihnen mit Brahms & den andern Sie umgebenden Coryphäen[?] der Tonkunst gern etwa |3| einmal in träumerischem Schweigen lauschen können; aber die Anforderungen des praktischen Lebens sind oft stärker als die freundliche Stimme der holden Kunst, welche unser Einen etwa einmal der Erde entrücken möchte & so bin ich immer zur Geduld verwiesen, wenn Sie nicht wieder einmal selbst in unsre Mau¬ern einziehen. Auch unser altes Felsenschloß, welches Brahms nur bei so schauderhaftem Wetter gesehen, haben Sie noch nicht mit Ihrem hohen Besuch beehrt & doch tönt es so herrlich in den gewaltigen Mauern & es weilt droben auch eine Verehrerin der Polyhymnia, die es noch jetzt nicht lassen kann Ihres unsterblichen Gatten herrliche Lieder zu singen. Freilich nur selten wird ihr ein guter Accompagnateur zu Theil, seit Kirchner nicht mehr kömmt der nun die Schweiz ganz verläßt um nach Meiningen zu ziehen, & seit auch kleinere Sterne, aber doch immer noch begeisterte Musiker wie Munzinger (Walter’s Schüler) aus unsrer Schloßnähe weggezogen sind. Walter allein macht aber eine flüchtige Erscheinung. Was könnte man mehr von ihm verlangen, seit er wieder eine |4| junge Frau genommen hat.
Im Übrigen befindet sich meine Familie14 wohl, meine l. Frau sogar namhaft besser als in letzter Zeit, wo sie oft etwas angegriffen war.
Sie wird sich, gleich mir, sehr freuen, auch von Ihnen & allen l. Ihrigen ebenfalls gute Berichte zu empfangen.
Grüßen Sie uns Brahms oder wer sonst von unsren musikalischen Bekannten in Ihrer Nähe weilt & empfangen Sie selbst – auch im Namen meiner abwesenden Frau – die herzlichen Grüße
Ihres stets aufrichtig
Ergebenen
F. Riggenbach Stehlin

  Absender: Riggenbach-Stehlin, Friedrich (1283)
  Absendeort: Basel
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Lichtental
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 10
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Theodor Kirchner, Alfred Volkland und anderen Korrespondenten in der Schweiz / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-021-6
875-878

  Standort/Quelle:*) unbekannt; Durchschlag in Ch-Bu: NL 58, I Schumann
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

Fehlerbeschreibung*





Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.