Basel 27 Septb 1872
Verehrteste Frau Schumann!
Unsre letzten Schreiben haben sich gekreuzt; d. h. dasjenige welches Sie mir nach Lausanne adressiert hatten, erhielt ich gerade nach Abgang meines letzten Briefes, welchen Sie nun zum 2ten mal beantwortet haben.
Nach diesen vielen Correspondenzen, welche meinerseits wieder Mittheilungen nach Zürich zur Folge hatten, bedaure ich nun aufrichtig von letzterer Stadt vernehmen zu müssen, daß sich auch dießmal wieder keine Zeit in der ganzen bevorstehenden Saison finden ließ, wo wir in Basel & Zürich nah aufeinander folgend 3 Concerte zu der Ihnen passenden Epoche abhalten & uns dabei wieder einmal Ihres herrlichen Spiels freuen könnten. Es scheint ein Unstern zu walten, der uns diese Freude vergönne. Kaum dürfen wir hoffen, noch überhaupt einmal so glücklich zu sein, Sie wieder in unsern Mauern zu begrüßen, da uns jedes Jahr neue Hindernisse bringt. Sollte es aber doch wieder einmal dazu kommen so würde ichs als den Lohn unsrer beharrlichen Bemühungen ansehen & in diesem Sinn gebe ich die Hoffnung doch noch nicht für immer auf, Sie, verehrteste Frau Schumann wieder einmal zu hören.
|2| Wäre ich nicht so hundertfältig in Anspruch genommen wie ichs leider bin & könnte ich abkommen nach Gutdünken, so würde ich mit Hrn Eglinger reisen, der Sie nun vielleicht in Baden Baden sieht & hört & Ihnen meine persönlichen Grüße bringt.
Diejenigen meiner l. Frau konnte ich nicht beifügen, da sie noch immer auf dem Lande ist & dort zu weilen gedenkt bis die Blätter fallen.
Ihnen wünsche ich eine schöne genußreiche Winter-Saison in der Donaustadt oder wohin die Musen sonst Sie begleiten, indem ich mit stets aufrichtige Hochachtung verharre
als Ihr ganz Ergebener
F. Riggenbach Stehlin
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