23.01.2024

Briefe



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ID: 25918
Geschrieben am: Mittwoch 16.06.1875
 

Gestern in der Singstunde meinte Schulze ich sollte nun nichts Neues mehr studiren, sondern das ganze Material von dem ganzen Schuljahr für die Prüfung vorbereiten und ihm in den fünf Wochen bis dahin Alles noch einmal vorsingen, das ist wenig profitabel, denn ich bin jede Stunde bereit mich aus den Sachen die ich studirt habe prüfen zu lassen und die einzigen zwei Werke die einer Wiederholung bedürfen sind die „Schöpfung“ und „die Jahreszeiten“ da die technischen Schwierigkeiten darin noch lange nicht überwunden sind. Es ist natürlich wieder maßlos arogant wenn ich sage die Programme der 12 Concerte, in denen ich gesungen habe, sind gar kein Prüfungsmaterial, aber ich denke doch so.
(…) Dieses ganze Jahr hindurch habe ich 920 Thl. ausgegeben wovon ich 780 verdiente, 50 geschenkt und 90 von Vater erhalten habe 140 Schulgeld und 50 als letztes Handgeld und diese Ausmaße habe ich in 9 Monaten verbraucht, das sieht nicht viel aus ich könnte Dir nur noch die Reiseauslagen berechnen die ich hatte und Du würdest sehen daß ich nicht so sehr viel gegeßen habe. Liebes Genchen ich danke Dir für Dein Anerbieten, ich brauche kein Geld und habe Vater für den Fall daß ich Juli hier bleiben müßte schon gebeten (…) ich wollte Dein Vertrauen in meine Wirtschaft nicht länger erschüttert sehen. (…)
17. Juni
Mit erstem Oktober bin ich hier und habe dann eine neue Saison vor mir, bin auch da um Deine Rückkehr mit anzusehen ich taumle nur die Zeit durch bis dahin. Ich kann es wirklich nicht durchsetzen hier zu bleiben denn die Ferien würden mir sehr verdorben werden wenn ich Vaters Hilfe nochmal in Anspruch nehmen müßte. Und wie freue ich mich nach Hause! maßlos ich träume fortwärend von zu Hause, sehe uns spreche sie Alle im Traume. Wenn ich mich hier durchquälen müßte bis zum Ende ich würde krank werden, denn schon jetzt verkrieche ich mich mit meinem Heimweh in meine heiße Stube, nur um nicht sprechen hören zu müßen. Heute erregt mich allerdings die Pa<c>kerei der Seeber und ich zähle die Stunden die mich noch hier zurückhalten. Ich setze Alles dran jetzt wegzugehen, ich werde Schulze sagen, wenn sie mich nicht beurlauben, so reise ich ohne Urlaub, was können sie machen wenn ich fort bin, mich herauswerfen aus ihrer Hochschule da verlege ich mich auf’s Bitten. Du siehst ich bin aus aller Faßung. fort, fort, und nochmal fort! So schwach ist der Mensch, wenn es nun anders wäre und Du in Berlin bliebest den ganzen Sommer so hätte ich kein Heimweh bekommen und doch ist dieses Heimweh keine Einbildung, ich habe wirklich und wahrhaftig Hunger nach Dir und Weh nach Daheim.

  Absender: Fillunger, Marie (2260)
  Absendeort: Berlin
  Empfänger: Schumann, Eugenie (1440)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*) A-Wn,s.979/2-7
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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