23.01.2024

Briefe



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ID: 26023
Geschrieben am: Mittwoch 25.07.1877
 

25.7.1877, Schloß Habrowan
Gedacht habe ich immerfort an euch, an Elisens Verlobung, wie schön eine solche Verbindung aus Liebe, wie groß die Freude so etwas mit anzusehen, freilich ist die Trennung hart aber, die Welt wird ja immer kleiner jetzt und man macht Ausflüge nach einem anderen Welttheil wie man Sie sonst nach einer anderen Stadt machte. (...) in den acht Tagen die ich hier bin, habe jeden Tag musicirt,
der Dr. Gänsbacher hat jeden Tag darum gebeten war überhaupt ausserordentlich anerkennend und mehr noch, ich mußte im Stillen lachen über ihn denn er dachte sich entschieden mein Vortrag sei so beseelt weil ich drei Tage in seiner unwiederstehlichen Nähe geathmet, als ich einmal nach einem Lied von Schubert welches mich immer sehr ergreift, das Zimmer verließ und im dunklen Park herumspazierte und an mein Genchen dachte, war er seiner Sache ganz gewiß und von dem Momente an sehr schonend mit dem armen versengten Mücklein! Sehr aufregend, nicht wahr? ( ...)
Als er nun gar plötzlich abreiste da war's aus, Sonntag war aber noch ein anderes Ereignis. Ich ging abends spazieren und als ich gegen acht nach dem Parck zurückkam begegne ich meiner Cousine Lola die mir von Weitem winckt und mir als ich zu ihr gelange den Dr. Bettelheim vorstellt, also Genchen ich habe ihn gesehen! Na und er gefiel mir gar nicht schlecht denn da mir seine Schwester gesagt hatte er sei ein schicker Jud so war ich sehr erstaunt einen Mensch von mäßiger Schönheit zu finden, wir gingen nur ein paar Schritte mit ihm und ich tauschte eiligst das nöthigste aus mit ihm über Habrowan und seine Schwester. Es thut mir leid daß ich nicht länger Zeit hatte mich mit ihm zu unterhalten, ich hätte sehr scharf sondiert, Senkblei, Termometer alles in Anwendung gebracht
um zu sehen ob es der Mühe werth. Ich will keine schlechten Witze machen ich bin durch mein Genchen sehr verwöhnt und kann nur mit aussergewöhnlichen Dingen zufrieden sein. Bis jetzt hat mir die Gomperz noch nicht geschrieben, sollte sie es thuen so bekommst Du den Brief wenn er auch nur ganz allein für mich ist, ich bin ja doch für Dich ein offenes Buch und jede Seite aufzuschlagen
wenn Du Lust hast dazu. Ich war bei der Begegnung sehr überrascht, daß mir die kleinen weiblichen Künste (die ich nie geübt) so gar nicht fehlen. hätte damals die G. nicht jene Bemerkung gemacht, so wäre ich sehr zerstreut gewesen, aber so war ich so concentrirt und habe so ungenirt mein Opfer im Auge behalten und so unbefangen gesprochen daß ich mich selbst fragte ob ich denn heirathssüchtig
sei. Dies bin ich aber nicht es ist nur ein kleiner Ubermuth der mich faßte.
Beiliegend die Rechnung quittiert für Mama und eine Seltenheit die ich gestern auf einer großen Partie fand ein Erdbeervierblatt.

  Absender: Fillunger, Marie (2260)
  Absendeort: Schloß Habrowan
  Empfänger: Schumann, Eugenie (1440)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*) A-Wn, s.: 979/11-12
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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