23.01.2024

Briefe



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ID: 26072
Geschrieben am: Montag 04.11.1878
 

4.11.1878, Leipzig
Mein liebes Genchen! Ich bereue es Dir neulich in meiner Jammerstimmung geschrieben zu haben Du brauchst wahrhaftig keinen Kummer mehr und es sind dies ja immer Stimmungen und ist es ganz schlecht von mir Dich per Brief noch damit zu quälen. Ich habe sofort nach Giessen geschrieben; habe von Darmstadt von Dr. Becker Brief wo er mir rathet das Wohltätigkeitsconcert dort ruhig abzusagen, es würde mir keinerlei Nachtheil bringen. Hier hatte ich den Versuch gemacht Riedel mehr als 150 Mark herauszulocken dies trug mir aber nur einen sechseitigen, aufgeregten Brief von ihm wo er mir unter zahllosen Complimenten sagte er könne durchaus nicht mehr geben. Hier läuft er aber bei den Leuten herum und sagt so hätte er noch nie singen hören, es sei ganz herrlich wie ich die Partie auffaßte und sänge. Wenn er dies fort recht betreibt so kann dies nicht schaden. Endlich will der Bachverein gleich nach dem Ziehverein ein Hausconcert geben in welchem sie das »Stabat Mater« von Pergolesi, mit mir und einer neu entdeckten Altistin machen wollen. In folge dieser Ereignisse ist meine Stimmung besser und ich bitte mein liebes Genchen vielmals um Verzeihung, ich will mich besser beherrschen in Zukunft. Dies ist der äusserliche Kummer der innerliche ist meine grenzenlose Sehnsucht nach Dir und mein kindisches Suchen und Tappen nach dem Zeitpunkt wo ich zu Dir darf, und dieser schiebt sich immer weiter hinaus, und der Zustand wird mir immer unerträglicher. Ich möchte die Tage durchschlafen um sie nicht durchleben zu müßen und eine Unlust eine Gleichgiltigkeit hat mich erfaßt die mir schadet. Verstehst Du mich mein Genchen? Zanke mich recht aus aber gieb mir ein Ziel, einen Anhaltspunkt.
Die »little women« habe ich ganz ausgelesen beide Bände und habe mich gefreut wie leicht es ging. Was soll ich jetzt lesen? Der Zeitpunkt für London rückt heran und ich fürchte mich jetzt. Morgen kriege ich einen Brief von Dir ich weiß, sei milde mit mir Du weißt nicht wie ich leide. ich habe immerzu einen nagenden Schmerz.

  Absender: Fillunger, Marie (2260)
  Absendeort: Leipzig
  Empfänger: Schumann, Eugenie (1440)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*) A-Wn, s.: 979/16-15
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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