23.01.2024

Briefe



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ID: 26087
Geschrieben am: Samstag 31.05.1879
 

31.5.1879, Basel
Welch ein Überfluß von Mißtrauen in Deinen Zeilen vom 29t. Das Lob des zweiten Tages habe ich nur nicht geschrieben weil es unmittelbar auf den ersten Tag folgen sollte, denn ist es mir unmöglich für derartige Concerte in Begeisterung zu gelangen, diese Art, sich den Rang streitig machen, und nun gar vier Sänger ist zu dumm; dazu kommt noch da>ß< Hauser und Gunz in Ekel erregender Weise um
die Gunst jedes Concertdieners oder Besuchers buhlen, und die Wahl ihrer Lieder dem entsprechend war. Endlich hatten die Beiden unseren Esel von Dimmler veranlaßt, ihnen die guten Plätze im Programm zu geben, und so kam denn folgende Ordnung heraus. Das Concert begann mit zwei Chören (a capella) von Eckert und No 2. meine »Allmacht«, ich war sehr gut disponirt und genügte
meine Nummer gerade das P. T. in dem großen Saale zu umärmen darauf kamen immer unterbrochen vor De Swert die Schauenburg (»die Mainacht« und andere Dinge im halben Tempo sang) dann Gunz ich lege das Programm bei, dieser sang da Cappo und zwar ein elendes Zeug aber er sang es mit Ballettänzermanieren, beim letzten Wort einen Schritt zurück und eine Verbeugung. Dann kam Hauser, der ganz furchtbar sentimental sang und dazu unrein. Endlich kam das Liederspiel
es ging recht gut, obwohl die Begleitung elend war.
Ich sagte Dimmler meine Meinung wegen der Ordnung des Concertes, und er gestand mir daß die beiden Herrn darauf bestanden hätten worauf ich ihm meinen Dank sagte dafür daß er die Damen ruhig zurückgestellt hatte, er ist ein sich stets dumm stellender Heuchler. Dies ist nun mein Concert Bericht, mein Katzi! Nun denke nichts böses weiter. Begeistert bin ich auch in der Erinnerung nicht,
aber Du kannst ruhig sein, es war gut. (...) Nun zur zweiten Frage, rufe mich zurück Kind Du hast zu viel auf Dir, wenn heute Mama abreist und Marie liegt fest so ist mir Deine Situation unerträglich, ich habe hier alles vorbereitet und käme heute noch, aber ohne eine Zeile Zustimmung thue ich es doch nicht weil ich doch bei Euch wohnen und leben müßte um Dir wirklich helfen zu können. Das Wetter ist immer gleich elend wir kommen kaum vor die Thüre. Das schönste sind die Nachtigallen vor meinem Fenster, die die ganze Nacht jubeln und singen und dies höre ich bis in meine Träume. Ich habe so schrecklich Sehnsucht nach Dir Kind! Dürfte ich nur zurück.
Ich übe täglich; die Frauen hier sind auf dem selben Punkte auf dem ich sie verlaße, sie thuen nichts den ganzen Tag und langweilen sich sehr, man hat nur stets gegen ihre Unzufriedenheit anzukämpfen, und müßte stets in toller Laune sein um seine Schuldigkeit als Unterhaltungsobject zu thuen. Das kann ich nicht, ich erlahme wenn ich etwas unbewegliches Jahre lang auf demselben
Punkte bleibendes sehe. (...) Ich schiebe und bohre von allen Seiten aber es hilft nicht. Dazu kommt noch eine bedenkliche Neigung sich mit Frauenkrankheiten zu beschäftigen und die in dieser Richtung aufregendsten Krankengeschichten stets zu verfolgen. Es ist hier ein Specialist der eine ganze Anstalt dafür hat, und damit ist die arme Fr. Lucky den ganzen Tag in ihren Gedanken beschäftigt, ich glaube das dies eine sehr ungesunde Richtung der Ideen ist. Auch dagegen habe
ich schon gesprochen.

  Absender: Fillunger, Marie (2260)
  Absendeort: Basel
  Empfänger: Schumann, Eugenie (1440)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*) A-Wn, s.: 979/17-10
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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