23.01.2024

Briefe



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ID: 26105
Geschrieben am: Samstag 04.09.1886
 

4.9.1886, Frankfurt
Bei Lisl war es bei dem herrlichen Wetter prachtvoll und war es nicht schwer mich zu einer kleinen Zugabe zu überreden. Ich sang sehr viel und fühlte mich sehr gut disponirt. Im übrigen hatten wir viele ernste Unterredungen, die arme Lisl ist recht mürbe und klammert sich an jedes Wort was man sagt. Die alte Frau hingegen ist in solcher Wuth und Aufregung daß sie bei jeder Gelegenheit losbricht, darf aber vor den Töchtern die Sache gar nicht besprechen und stürzte sich also auch bei jeder Gelegenheit auf mich. Welch traurigen Eindruck machte mir gerade diese Spaltung. Julia hingegen entwickelt einen Heldenmuth und eine Geisteskraft die großartig ist. Nur bei der Musik brach sie zuweilen zusammen, drang aber immer darauf daß ich wieder sang. Die ganze Sache liegt jetzt so weit ich sie übersehen kann, so daß nachdem die zwei Eheleute seit zwei Jahren getrennt sind, er erst nach Afrika und jetzt in Amerika (St. Franzisko) ist, er in kurzer Zeit zurückerwartet wird. Er ist damals fort nachdem er mit der wahnsinnigen Aufrichtigkeit, oder Wahrhaftigkeit eines Philosophen seiner Frau sagte, daß er die Ethel liebe und fort gehe um sich diesem Einfluße zu entziehen. Hierauf hat die Frau auf alle Weise versucht einen Ausweg zu finden und vor allen
Dingen auf Ethel Einfluß zu nehmen ihr klar zu machen welches Unheil sie angerichtet und ihre Hilfe gesucht. In diesem Punkte wo also auch Lisl sich mit Julia vereinigte und Beide die unglaubliche Schwäche hatten von der Ethel so viel Selbstlosigkeit zu erwarten, ist nun ein Hauptfehler gemacht worden. E. hat sie mit jeder Entscheidung hingehalten und es haben sich ferner stehende hinein
gemischt und zwar alle ungünstig oder wie sie sagen böswillig gegen Ethel.
Die alte Baronin und der Vater an der Spitze. Hildebrand und Frau haben sehr gegen sie ausgesagt. (...) Fiedlers waren damals ganz gegen sie, und <sie> hat sich an Brewster um Schutz gewendet. Dieser hat nun seiner Frau die unerhörte Zumuthung gestellt, nachdem Sie wegen der Kinder in eine gerichtliche Scheidung nicht willigte, daß er zurückkommen wollte und alles im alten Geleise gehen sollte nur unter der einen Bedingung daß Ethel wieder als Hausfreundin mit ihnen lebte, damit die ungerecht angegriffene Ehre derselben wieder vor aller Welt hergestellt sei. Darauf hat sich Julia und Lisl von Ethel zurückgezogen, diese verfolgt sie Beide mit Briefen und kämpft mit allen Waffen für ihre sogenannte Ehre. Fiedlers hat sie herumgekriegt und die Beiden wollen ihr jetzt den Weg ebnen in Leipzig wo sie diesen Winter erscheinen will um alle diese Gerüchte tod zu machen.
Lisl bekommt Briefe von aller Welt, auch von E<thel>'s Mutter worin sie aufgefordert wird E's Partei gegen ihre eigene Schwester zu nehmen. Dieses elende Wesen kann nicht stillschweigend in England bleiben und Gras wachsen laßen über die Sache, nein sie kämpft und droht bereits damit die Briefe zu veröffentlichen die sie in Händen hat von der Zeit wo jene noch Hoffnung auf sie setzte. Julia stellt sich alledem gegenüber immer noch großartig und bemüht sich Recht von Unrecht zu sichten und verdammt schonungslos alle Übertreibungen. Ist das Schiksal dieser armen Menschen nicht schrecklich! Ich fuhr mit Lisl und Heinrich nach Salzburg, und hatte Gelegenheit seine Gesinnung zu prüfen, oh er hat mich wieder so ungeduldig gemacht, die arme Lisl hat keine männliche Stütze an ihm er ist ohne Energie und flüchtet zu seinem Notenpapier, dies ist wol mehr als schwach! Und dabei hat er z.B ganz meine Ansicht daß von E<thel> nichts gutes zu erwarten ist. Warum tritt er dann nicht auf für seine Frau und hält ihr alle fern womit sie gequält wird? — Da sie alle darin übereinstimmen daß Brewster durchaus kein schlechter Mensch ist, so ist nicht abzusehen wann dieses hin und her enden soll. Eine Wiedervereinigung hält Lisl jetzt für unmöglich, wärend sie vor jener Bedingung die er gestellt hatte, immer noch gehofft hatte. Die Gegner sagen Eth. hätte diesen Coup ganz gut berechnet, denn sie wollte geheirathet werden und hatte von Julia erwartet, daß sie sich scheiden laßen würde, nachdem Julia aber erklärt hatte daß sie die Ehe überhaupt für unlöslich halte und nicht geschieden werden kann, hat jene erst angefangen so vorzugehen. Rattengift wäre für dies Geschöpf noch ein zu feines Medicament, wenn ich es könnte würde ich ihr welches verabfolgen.
Lebwohl! Wie war der Geburtstag? bekomme ich heute einen ordentlichen Brief? Habt ihr auch solche Hitze? Bitte lies den Brief Mama und Marie vor und sage mir dann ob ihr mich verstanden habt ich möchte so gerne in all dem Wust klar sehen lernen.

  Absender: Fillunger, Marie (2260)
  Absendeort: Frankfurt
  Empfänger: Schumann, Eugenie (1440)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*) A-Wn, s.: 979/20-12
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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