23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 26108
Geschrieben am: Sonntag 20.02.1887
 

20.2.1887, Frankfurt
Erst hätte ich aber von gestern zu berichten. (...) Es kamen noch herrlich gelbe Akaleen von Louis und Elise, und ein Korb Maiblumen von Miß Wild; Dann mischte ich mich in die Haushaltung und bestellte Suppe für Mama. (...) Pünktlich um 8 3/4 kam Mama, so frisch und wol als wäre sie nur spazieren
gewesen. Louis hatte sie mit dem Wagen abgeholt.
Todmüde stand ich auf und richtete für meine Probe, Gerstensuppe und Sardellenbutter-Brödchen. Ich war zweimal bei Mama und bat sie doch herauf zu kommen, sie meinte erst sie hätte unmöglich Zeit, kam aber dann doch und war so bezaubernd daß meine Singmaschinen das erste Lied ganz befangen sangen. Da rügte sie sofort was ihr nicht gefiel und wir wiederholten bedeutend besser und sangen dann noch fünf von den Liedern. Es fehlten mir drei und die da waren, waren meist indisponirt, dennoch fand es Mama ganz ausgezeichnet und bekam Passion für die Aufführung. Es war wieder sehr lustig und ich hatte viel Freude daran, obwohl ich kaum mitsingen konnte. Mein Früstück haben sie mir brav aufgezehrt und ich war gerade mit dem Spühlen meiner Taßen fertig als
die Kinder kamen, die waren natürlich mein am Nachmittag und waren allerliebst, haben sich verkleidet, Marie hatte jedem eine Maske, Robert Bart und Krone, Lala Chinesischen Hut und Fächer, Dick einen Eselskopf und Julchen einen Katzenkopf mitgebracht, und so zog Robert meine rote Küchenschürze an als Königsmantel und lief immer wieder an meinen Spiegel um sich zu bewundern. Elise und Louis kamen auch herauf und wir hüteten die Kinder bis fünf Uhr. Sie kriegten Chokolade und Waffeln und um 5 gingen wir alle hinunter et.c. Nun hat Julchen gespühlt und ich habe die Waßerleitung in Ordnung gebracht, die Kinder hatten irgend etwas daran gezerrt und es lief alles Waßer in unser Closet, aber kein Tropfen in den Kessel am Herd. Du kannst Dir Marie denken, die armen Sommerhoffs waren sofort enterbt! Ich liess mir erst den kleinen Tritt, dann die große Leiter bringen und fand gleich was fehlte. Nun ist wieder Frieden im Hause, aber ich bin müde. Mama ist jetzt zur Landgräfin, allein nun, bei einer musikalischen Soirée die Stockhausen dort giebt, einen Brahmsabend, und zu dem Mama gar nicht geladen war, die Sonate von Brahms mit der Neruda zu spielen, sie kam ganz schüchtern damit heraus bei Tisch. Sie war vor Tisch dort um ihr eine Einladung für Mittwoch abzusagen und da sagte ihr die Landgräfin daß die Neruda an Stelle des Prinzen Alex mit Deyks die Sonate zu spielen, sich angeboten habe, und da bot sich Mama an an Stelle von Deyks. Die Landgräfin kann lachen! — Die Woche wird lebhaft, die Vorbereitungen für England im gehektesten Tempo und jetzt geht alles. Ich sprach mit Louis darüber, vor 14 Tagen hieß es Leipzig oder London und jetzt! Wo ist denn da die Vernunft; für solche Aufregungen ganz ohne Zweck ist da doch wirklich kein Platz. Und wenn Mama nicht dieses riesige Naturell hatte, so könnte man nicht ohne Nachtheil so mit ihr umspringen. Von mir kann jetzt natürlich nicht die Rede sein. Mama ist sehr freundlich und gut, aber ich sehe ihr an daß sie jetzt so viel im Kopfe hat daß sie es vorzieht wenn ich jetzt noch schweige. (...)
Marie thut als wenn nichts vorgefallen wäre und ich habe meine Strafe verbüsst in den schönen Tagen wärend VonderMuhlls da waren. Ich laße mich aber nicht so strafen, mit Marie bin ich fertig, denn das war wohldurchdachte Bosheit. Was Du mir darüber sagen kannst, wird mich nicht bekehren also laßen wir das besser. Die dringende Nothwendigkeit einen Sündenbock zu haben, wird mich in
der Myliusstraße 32 erhalten, aber ich werde mich verschanzen und nicht unnöthig kriegen laßen. Dies wollte ich Dir eigentlich nicht sagen, aber es macht mich immer so bitter, wenn Du mir erst allerhand unangenehmes hier für meine Rückkehr zurückläßt und jetzt schreibst Du und auch Loucky ich sollte es doch leichter nehmen. Das ist geradezu unrecht von Dir, und wollen wir uns darüber
noch ganz ruhig aussprechen Du solltest mich doch kennen und wißen ob mich irgend eine Last wundreibt oder ob ich sie leicht tragen kann. Als ich das letzte Mal über meine eigenen Angelegenheiten in großer Sorge war, da sagte mir Mama ich sollte mich doch ein bischen zusammen nehmen, ich regte Dich so auf. — Ist das Mama's sonstige Güte, die für jeden Fremden über den sie in der Zeitung ließt, Mitgefühl hat, und hilft ihr die Bemerkung daß ich mich auf Dich verlaße. —
Frage doch meine Berufsgenoßen wie sie's machen, und nenne mir diejenigen unter ihnen die ganz allein, durch ihr elendes Gesinge sich erhalten. Etwa der Obertenor? oder was hatte denn die Kufferath erreicht, mit ihrem ganzen geordneten Heim. Die Keller hat ein kleines Vermögen. Sogar die Hohenschild hat ein solches, Und ich besitze 5600 Mark.
Also was ist mein Schluß, zu dem ich schon vor Jahren gekommen bin, daß es ein schwerer Beruf ist <der> seine glücklichen Momente sparsam austheilt, und daß man nie hohe Erwartungen hegen darf sondern recht bescheidene. Weil ich aber nicht betteln kann und mich nicht schlecht behandeln laßen kann so ist die billige Theilnahme meiner Mitmenschen für mich unfreundliche Beurteilung
und diese bestärkt sogar Dich in Deinen nutzlosen Bestrebungen mich umwandeln zu wollen.
Ich wünschte, ich brächte es über mich Dir diesen Brief nicht zu schicken aber sprich doch mit Loucky und mit Carl darüber, er kennt mich noch viel beßer, wie sie, ich bin sicher sie werden Dich beruhigen. Gerne würde ich Dich noch schonen aber Du weißt nicht wie es an mir frißt, und wie ich den Hohn meiner augenblicklichen Situation kaum ertragen kann. Antworte mir nicht hierauf, wir
wollen es besprechen, wenn Du zurückkommst.

  Absender: Fillunger, Marie (2260)
  Absendeort: Frankfurt
  Empfänger: Schumann, Eugenie (1440)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*) A-Wn, s.: 979/21-03
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.