23.01.2024

Briefe



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ID: 26122
Geschrieben am: Freitag 05.10.1888
 

5.10.1888, Frankfurt
Wie kannst Du nur so unklug sein an Mama zu schreiben wegen meiner Absage in Münster, hast Du denn meinen Brief nicht erhalten worin ich Dir genau erklärte wie und warum ich abgesagt, was soll denn jetzt das Gejammer helfen und noch dazu verschaffst Du mir eine kühle und erstaunte Abfertigung von Mama, der ich vorher alles plausible gemacht hatte. es sieht gerade so aus als wollte ich mein Opfer geltend machen.
Mit Euch ist es wahrhaftig schwer. Marie wechselt buchstäblich jeden Tag die Farbe, vorgestern war sie hier oben hat ausgerechnet wie viel Tische und Stühle sie zum Souper hier oben setzen kann. Gestern war es wieder für Nachmittag angesetzt. Heute weiß ich noch nichts. Die »Zigeuner Lieder« sind da und morgen kommen wir zum ersten male zusammen um 4. Uhr bei Stockhausen. Das
wäre doch sehr anständig von mir gewesen wenn ich wegen Münster unsere Feier verschoben hätte, so wie sie das Museum verschoben hätten wegen der Luc<c>a. Sei doch ein bischen large und vor allen Dingen hetze mir Mama nicht auf Sachen die längst abgethan sind, ich würde mich schönstens bedanken wenn ich jetzt vielleicht in Münster mich wieder anbieten sollte. Stockhausen ist auch eine Wetterfahne mit der man keine Minute sicher ist. Vorgestern war er bei mir und frug mich ob ich ihm helfen wollte am 15. Okt also in 10 Tagen die Lieder aus dem »Liebesfrühling« und Eichendorfschen »Liederkreis« aufführen. Ein Schumann Abend im kleinen Saal. Er wollte besonders in Eichendorf sehr viel selbst singen und Kaufmann u.s.w. sängen mit, ich sollte »Flügel« singen und »Er ist gekommen«. Ich habe ihm natürlich alles zugesagt. Gestern war sie bei mir, hat aber von
diesem Concert nichts gesagt. Kwast sagte mir daß sie schon bei Gelegenheit der Stockhausenfeier in Sommer sagte, dies Concert müßte gleich im Herbste wiederholt werden. Er hatte als ich ihn zum ersten male sah gesagt das er am 15. Okt. die »Zigeunerlieder« aufführen wollte. Diese haben wir aber jetzt nur unter der Bedingung erhalten daß vor dem 1. Nov. keine öffentliche Aufführung gemacht werden dürfe. Du siehst wie der Wind hier geht und da läßt Du Dir einfallen auf Entfernung von 2 Posttagen auch mit zu blasen, Mama und Marie drehen sich natürlich gleich im Wirbelsturm und ich krieg die Hiebe ab: Es wäre doch wirklich nicht nöthig daß ich hier wäre am 20t. Da würde ich doch gewiß nichts versäumen u.s.w Man möchte wirklich wild werden. Ich werde es aber nicht, und halte mal durch, was dann herauskommen wird soll sich am 20t. zeigen.
Sommerhoff's passen sehr gut in die Familie, denn sie kommen erst am 20t und wollten sich auch keine Billette zum Concert nehmen, überhaupt nicht abonniren.
Das wird eine sehr einheitliche Feier:
15. Oktober Stockhausen
20. „ Zigeunerlieder
21. „ Scholz Orchesterconcert
26. „ Museum
Ganze 11 Tage.
Soll man nun den 15. und 20t. unter drücken und den 21. und 26t. laßen? Der 21 t. ist nicht zu unterdrücken und wenn der 20t. unmöglich gemacht wird durch die Ungastlichkeit von 32 Myliusstraße, so bringen wir Mama ein Ständchen mit den neuen Quartetten und Marie kann sich mit ihrer lumpingen Haushaltung verstecken. Ich habe ihr so zugeredet es leicht zu nehmen und hier oben wollte ich alle Zimmer mit Ausnahme Deines Schlafzimmers, mit zwei Trägern einrichten und meinetwegen zwei Tage vorher decken. Im Vorplatz das Büfet aufstellen und in drei Zimmern Eßtische für 60-70 Personen leicht einrichten. Wenn sie das Eßen selbst bei irgend einem Hotelier bestellt, so braucht sie wirklich keine Angst zu haben und was die Hauptsache ist, Mama wäre ganz ungestört. Sie war auch selbst auf diesen Plan gekommen und war ganz einverstanden jetzt ist es aber wieder Thee und Eis unten von 5-7 wo sie viel mehr Mühe hat und die Unkosten kaum geringer sein werden und doch ist es nicht halb so hübsch. Um 7 geht dann alles fort und wir sitzen herum wie die matten Fliegen. Na genug davon Du kannst Dir ja denken, wie es zugeht und wie Marie wechselt in ihren Ansichten und man keine Minute sicher ist. Ich studire jetzt meine Quartette, es sind 11, keinerlei Solo oder Duett, alle 2/4 Tact und moll, die Texte kurz und bündig einer etwas bedenklich. Ich habe nur die Sopranstimmen in Händen. Auf alle Fälle muß ich mir noch ein Exemplar für Mama zum mitlesen verschaffen.
Wir probieren nächste Woche bei der Geißler die die leere Wohnung hat, und uns 5 Stühle und ein Pianino in den drei Zimmern unten zur Verfügung stellt, sie heitzen sehr stark weil sie noch den ganzen Keller voll Holz und Kohlen haben und ist das Lokal für Zigeuner gerade passend!

  Absender: Fillunger, Marie (2260)
  Absendeort: Frankfurt
  Empfänger: Schumann, Eugenie (1440)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*) A-Wn, s.: 979/22-14
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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