23.01.2024

Briefe



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ID: 26189
Geschrieben am: Donnerstag 10.10.1889
 

10.10.1889, Leeds
Der erste Festtag ist überstanden. Ich hörte am Morgen »Faust« von Berlioz mit Albani und Lloyd. Das Werk ist schrecklich und hatte durchaus keinen Erfolg. Die Beiden sangen herrlich, besonders Lloyd, Albani hat gar keine Tiefe und die Partie ist so ungraziös daß auch sie gar nichts damit machen konnte, sie war überdies schlecht disponirt. Abends ging ich erst um 9 Uhr in den Saal und fand
Lloyd mit Vert und allen die Ander<n> an der Arbeit in einem Oratorium von Corder welches einen Durchfall erlebte. Mde Valeria kam aus dem Saale in einem Zustand von Erschöpfung und wurde mit Champagner Brod und Eiern aufgepäppelt; Miss Wilson sagte mir sie wäre elend disponirt. Ich ließ mich ihr vorstellen sie ist eine Deutsche und wir verstanden uns ganz gut. Sie sagte, daß sie mich fast gebeten hätte das Gebet zu singen aber daß sie nach dem Oratorium es nicht dürfte, ich war sehr verbindlich und sagte ich hätte es nicht gewagt für sie ein Stück zu singen wo ich der Sprache noch nicht sicher genug bin. etc. wir waren sehr lieb miteinander und sie sang das Gebet mit einem großen Strich darin, sehr schlecht und all dies gab einen guten Hintergrund für meine Venus, denn das P. T. hatte noch keinen gesunden Ton gehört den ganzen Tag von den Sopranen und so schmetterte ich denn meine paar Takte hinein, dabei geschah noch ein lustiges Ding, der Choreintritt vor meinem letzten Schrei wird von den Solisten (die ganzen Minnesänger) gesungen und die Knaben (Herren) standen hinter mir und setzten schlecht ein. Sullivan wird wild und will die Tenöre fester packen und ruft mir in drei Sprachen zu ich sollte mich setzen, ich tat als hörte ich nicht und hoffte er würde umwenden und an seiner Partitur sehen, daß ich noch einen Schrei habe, aber er wurde immer dringender und ich setzte mich und schrie so, worauf er vor allem Publikum endlose Entschuldigungen machte und um Verzeihung bat u.s.w. Lloyd ist wunderbar in der Scene, ein großer Künstler. (...) Wenn Valleria heute recht krank wird, was ich nicht wünschen sollte, so bekomme ich Samstag doch noch Arbeit und zwar Brahms »Requiem« und »Lobgesang«. Sie schien nur recht fiebrig und hat viel vor in der nächsten Zeit. Ich stehe gut mit Sullivan und Lloyd und Vert ist sehr achtungsvoll also kann es nicht fehlen morgen um 1 Uhr mittag kommt die IXte daran.

  Absender: Fillunger, Marie (2260)
  Absendeort: Leeds
  Empfänger: Schumann, Eugenie (1440)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*) A-Wn, s. 980/2-16
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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