26.10.1889, London
Deine Verstimmung brauchte ein gehöriges Gegengift wenn ich Dir das nur verschreiben könnte! So geht das nicht fort und ist mir der Gedanke unerträglich Dir nicht wesentlich helfen zu können. Aber wie sollte ich das können, nimm doch die augenblickliche Periode als eine Vorübergehende, so kann es ja auch unter Euch Dreien nicht bleiben und ich habe immer noch das Gefühl als glaubte Mama noch nicht daß ich für alle Zeit aus dem Wege bin, obwohl ich es ihr in meinem letzten Brief ganz klar gesagt habe. Du mußt Mittel und Wege finden, Mama in der ganzen Sache zu beruhigen und Dich mit ihr leidlich zu stellen. Du wirst Dich erinnern daß ich Dir schon seit Jahren sagte, ihr lebtet aneinander
vorüber, dies mag freilich durch die Spannung noch schlimmer geworden sein, aber darin mußt Du Dir Mühe geben denn so trifft Dich zu gleichem Theil unrecht wie die Anderen. Mit Marie ist ja nicht viel zu wollen, das ist ein einsamer Mensch und wird es immer bleiben aber Mama ist das gerade Gegentheil und kann sich Dir nicht auf die Dauer verschließen. Gehst Du denn immer mit Mama spazieren? oder läßt Du sie nie allein herum streichen? Deine Gesundheit ist ja, Gott sei Dank, besser und wird Dir das Opfer nicht zu groß sein. Mit Deiner Baronin ist es nun freilich ein anderes Ding. Ich kann es nicht faßen daß Du in all den Jahren in kein natürliches Verhältniß zu der Frau kommen kannst, und das ist Dein Fehler Du simulirst wo nichts dahinter steckt und benimmst Dich unnatürlich. Auch ist der größte Theil Deiner Ideen für sie doch sicher unverständlich. Ach Genchen darin brauchst Du noch mehr als in der anderen darauf an daß Du im Moment einfach und richtig handelst. Du bist in Deiner Art nicht bescheiden und mißverstehst vieles. Wenn sie in der Probe die zwei Plätze wählte so war es ganz unpraktisch diesen zweiten Platz nicht einfach zu benützen. Und wenn sie P.v. auffordert sie zu besuchen so sehe ich kein Verbot für Dich dasselbe zu thun wohl aber wäre es auffallend wenn sie Dich eigens auffordern würde da Du seit Jahren zu ihren Stammgästen gehörst. Du mußt sie amüsiren, gehe mit einem ganz<en> Sack voll Klatsch zu ihr und packe aber flüchtig aus, Du sollst sehen Sie wird ganz unbefangen darauf eingehen. Ach mein liebes Genchen mache Dir nun nicht unnöthigen Kummer, daran fehlt es ja nicht und dies schadet Dir mehr als Du denkst und quält auch mich mehr als Du glaubst.
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