23.01.2024

Briefe



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ID: 26521
Geschrieben am: Freitag 22.09.1893
 

22.9.1893, Wien
Gestern im Burgtheater wurde ein unglaublich dummes Stück gegeben aber die Wolter und Lewinsky hatten Hauptrollen und es war daher doch sehr spannend. Heute besuchte mich die Eibenschütz und Frau Fellinger mit <unleserlich> fuhr ich zur Baumeier und Montag haben wir Musik bei Fr. Fellinger. Die Soldat ist noch nicht zurück und Brahms auch nicht. Ilona <Eibenschütz> erzählt er hätte neue Klavierstücke geschrieben und ihr vorgespielt. Die nächsten Tage halte ich mich sehr ruhig aus Gründen und dann geht es fort. Ich bin das Wanderleben satt, und freue mich auf die Ruhe in London. So bald werden mich die Wiener nicht wiedersehen, das ist zu anstrengend. —
Ich war erst einmal in den Museen. Diese Bauten sind in unerhörtem Luxus aufgeführt im Kunsthistorischen verschwinden die Bilder vor dem Glanze der Ausstattung und erst nach und nach findet man die alten Freunde wieder die man früher an den verschiedensten Orten suchen mußte. Ich verstehe nicht wo das fast verarmte Volk die Mittel hergenommen hat. Bei der Eröffnung des
Burgtheaters soll ein Witzbold ganz laut ausgerufen haben »seid verschlungen Millionen!« Und bei alledem ist es nach zehn Uhr so still und tod wie es in London nicht nach 9 Uhr ist. Wir hatten uns im Theater ein bißchen aufgehalten um die Deckengemälde zu sehen wurden aber punkt 10 Uhr durch auslöschen gezwungen hinauszulaufen und hinter uns wurde schritt für schritt alles Licht ausgemacht. (...)
Ja die Geschichte mit Mary hat meinen Glauben an sie sehr erschüttert, und mehr noch die Art der Durchführung, als die Thatsache. Ich werde mir nichts merken laßen aber ich glaube nicht mehr an diese Freundschaft. Das sind alles nur rauschartige Empfindungen und in der Nüchternheit danach fühlt man sich sehr unbehaglich. Und mit den zwei anderen habe ich ja immer freund gestanden. Diese Engländerinnen finden sich nämlich sehr bewundernswürdig wenn sie Jemanden lieben und daher konnte Mary durchaus nicht verstehen daß ich sie nicht anbeten mußte dafür daß sie Dich auszeichnete. Das wirst Du wieder schroff nennen aber es ist wirklich nichts weiter als vollkomene leere, ich <möchte> gar nicht mit ihr zu thuen haben. Du kannst doch nicht von mir erwarten daß ich darin irgend etwas ändere, ich hindere Dich in nichts und wenn ich Dich je gehindert habe so will ich das nicht wieder thuen, aber mich weiter in irgend etwas einlassen was mir so gegen den Strich geht kann ich nicht und wenn ich es versuchte, würde dies sehr schlecht ausfallen.

  Absender: Fillunger, Marie (2260)
  Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Eugenie (1440)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*) A-Wn, s. 980/25-10
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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