Frankfurt a/M d. 6 Jan. 1894.
Liebe Frau Roeger,
haben Sie vielen Dank für Ihre guten Wünsche und die so reizende Sendung! es freute mich so herzlich ’mal wieder von Ihnen direct zu hören.
Sie können denken wie es mich traurig überrascht, daß Sie der Oeffentlichkeit entsagen |2| und Stunden geben wollen. Das ist ein Jammer mit Ihrem Talent und Ihrem Können! Stunden geben können Sie in 20 Jahren auch noch, jetzt aber, in der vollen frischen Jugend, müßten Sie hinaus. Gehen Sie nach England mit einer Summe, die Ihnen Ihre Freunde in Wien gewiß gern vorstecken, und bleiben Sie ruhig da, machen Sie sich bekannt, |3| ich bin gewiß, es muß Ihnen glücken, aber Geduld muß man haben in England; was thut es, wenn Sie auch im 1ten Jahr nichts verdienen, es kommt doch! und dann ist für Sie in England gewiß die beste Aussicht. Allerdings, es gehört Energie und Vertrauen dazu! Ich habe Ihnen dies früher schon gesagt, und komme immer wieder darauf zurück. Dort in England |4| können gewiß Zwei, wie Sie und die Wietrowetz, bestehen – Lady Hallé zieht sich jetzt auch mehr zurück, wenigstens aus den Provinzen, was ja für den Anfang ein Haupt-Erwerb ist. Da könnten Sie ja gut Ihr Kind mitnehmen. Doch, ich mache mir fast Vorwürfe Ihnen das Herz schwer zu machen!
Nehmen Sie schließlich unsere herzlichsten Wünsche zum neuen Jahr, liebe Frau Roeger!
Daß ich Ihnen von Herzen zugethan bin wissen Sie von Ihrer
Clara Schumann.
Eugenie, die mit Marie Ihnen die herzlichsten Wünsche sendet, stimmen mir vollkommen bei. Eugenie sagt, sie wird oft nach Ihnen gefragt, warum Sie nicht wiedergekommen seien? sie glaubt, im Vertrauen gesagt, daß Sie als Quartett-Spielerin mehr Succes haben würden als die Wietrowetz, die mehr als Virtuosin glänzt.
[Umschlag]
Frau
Marie Roeger-Soldat.
Wien III
13 Mohsgasse II St.
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