23.01.2024

Briefe



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ID: 26708
Geschrieben am: Montag 08.02.1847 bis: 09.02.1847
 

Dresden d. 8 Febr. 1847
Nicht eher war es mir möglich Dir, meine liebe Elise zu schreiben, und noch einmal aus der Ferne meinen herzlichsten Dank zu sagen, für das viele Gute, das Ihr uns erwiesen. Wir werden es nie vergessen, des [?] bist Du auch versichert – ohne Euch wäre der Aufenthalt in Wien ein gar wenig erfreulicher für uns gewesen! –
Wir sind vor einigen Tagen glücklich hier angelangt, nachdem wir in Prag 10 sehr vergnügte Tage verlebt; wir fanden dort eine höchst freundliche Aufnahme, ich gab zwei Concerte, eins im Saale und eins im Theater, und fand den enthusiastischsten Beifall, vorzüglich aber Robert, der wirklich außerordentlich aufgenommen wurde; ich spielte im ersten Concert sein Quintett, wonach er stürmisch gerufen wurde, desgl nach einigen Eichendorfschen Liedern, von denen das Letzte das größte Furore machte; im zweiten Concert spielte ich sein Concert mit Orchester, nach welchem das Publikum sich nicht eher beruhigte, als bis Robert selbst auf der Bühne erschien und sich bedankte. Du kannst Dir wohl denken, wie vergnügt ich darüber war, daß er auch einmal eine laute Anerkennung fand, dafür wollt ich gleich einmal durchfallen! – Ich fand in Prag eine Gräfin Szlik, große Musikenthusiastin, und diese |2| führte mich selbst zu den ersten Damen Prags, die ich zu den liebenswürdigsten zählen muß, die ich noch gefunden, und gehört es zu meinen größten Wünschen einmal länger in Prag bleiben zu können, um alle diese Damen etwas näher kennen zu lernen. Die Kinder befanden sich ganz bene auf der Reise, meinen Kleinen, der heute ein Jahr <,> ist, fand ich aber sehr elend, noch viel mehr abgekommen, als bei meiner Abreise, und doch muß ich ihn Morgen wieder verlassen, wo wir nach Berlin reisen. Gott gebe, daß es bald besser mit ihm werde! ich bin nun froh, daß er doch zwei Zähnchen hat, die er sehr leicht bekommen hat, was mich einigermaßen beruhigt.
In Prag erfuhr ich eine Kränkung, die mir, weil sie gar zu boshaft war, ein paar sehr trübe Tage machte. Ich las in den Signalen unter anderen Notizen folgende: „Klara Schumann gab hier drei sehr wenig besuchte Concerte, dann ein viertes volles, weil die Lind darin sang. Wie sich die Zeiten ändern! vor 9 Jahren als Clara Wieck vergöttert, als Klara Schumann ignorirt. Außer der Musikzeitung haben alle Blätter die geniale Künstlerin vernachlässigt.“ Ist das nicht kränkend? und nun die Ursache – Du erräthst es wohl kaum, – daß ich darauf schwören will, daß diese Notiz von meinem Vater war, der sich wüthend geärgert, daß die Lind in meinem Concert sang, daß sie gegen uns so freundlich und nicht so gegen Minna war ect. ect. Es ist ganz sein Styl und seine Gesinnungen, er wollte damit |3| sagen; daß ich nur unter seiner Leitung Glück machte, dann hat er sich immer geärgert, daß ich mich nicht Clara Schumann-Wieck nenne ect. ect. Der Redakteur der Signale steht so befreundet mit uns, daß er von Niemand als dem Vater so eine Notiz aufgenommen haben würde, der ihm immer correspondirt, und den er nicht gern vor den Kopf stößt. Aber was soll man dazu sagen? diese Zeilen haben mich viel Thränen gekostet! tadeln kann mich Jeder, so viel er will, mich aber auf so boshafte Weise verletzen, das ist etwas, was ich schwer überwinde. Wäre es wahr, so ist es schon böswillig, es zu schreiben, so es aber gar nicht wahr <ist>, ist es doppelt schändlich; hatte ich auch die Masse nicht in meinen Concerten, so fand ich doch bei allen Kennern die größte Anerkennung, und ward folglich doch nicht ignorirt. Und wie unangenehm jetzt diese Notiz, wo wir gerade zurückkamen, und das Lumpenblatt ist überall gelesen! Emilie schrieb mir von einem Aufsatz in der Augsburger; ich konnte ihn nicht zu lesen bekommen, Robert hat ihn aber gelesen, und sagte, er wäre sehr gut gemeint, es käme aber immer bei solchen Sachen nicht viel heraus. Bitte grüße mir Emilie recht herzlich – ich schreib ihr, sobald mir nur irgend Zeit wird.
Wir reisen von Berlin aus nach Breslau, vielleicht auch noch nach Warschau (Das unter uns), aber ohne die Kinder natürlich.
Meine Kisten, die ich Deinem lieben Mann übergeben, habe ich leider immer noch nicht erhalten, was uns viel Verlegenheit macht, da Manches darin, was wir zur nächsten Reise brauchen. Ich begreife |4| diese Verzögerung nicht, da sie doch Dein Mann gewiß gleich abgeschickt. Sollten sie aber etwa noch nicht abgegangen sein, so bitte Deinen Mann, sie gleich abgehen zu lassen. Es thut mir leid ihn zu belästigen, doch wird er mir verzeihen, wie er es ja so oft gethan.
Ueber unsere späteren Pläne kann ich Dir jetzt noch gar nichts mittheilen – Gott weiß, wohin uns das Schicksal verschlägt! –
Nun, meine liebste Elise, habe ich Dir von uns vorgeplaudert, laß mich nun bald von Dir und Euch Allen etwas wissen, ich sehne mich sehr danach, das kannst Du mir glauben. Ich habe Dich immer sehr lieb gehabt, so innig aber fühlt ich mich nie von Dir angezogen, als jetzt, wo Du auch verheirathet bist, und ich Dich als Frau und Mutter verehren muß.
D. 9.
Denke Dir, seit zwei Tagen wollen wir nach Leipzig, und können nicht fort wegen des Schnees, der in Massen herabfällt. Das ist doch fatal, und in Berlin sind schon die Proben zur Peri angesetzt. Eben jetzt lauere ich wieder auf den Kofferträger, ob er nicht die Sachen abholt.
Nun muß ich Dir aber Adieu sagen; grüße alle Deine Schwägerinnen, vorzüglich die Frau v. Koith, und vor Allen Deinen lieben Mann, dem ich nicht einmal in Wien Adieu sagen konnte, da er nicht wieder kam, und nun nochmals tausend Dank, meine liebe gute Elise, für Deine vielen Freundschaftsbeweise. Robert legt sich Dir zu Füßen, d. h. nicht sich, wohl aber seine Verehrung für Dich.
In treuester Liebe
Deine
Clara Sch.
Willst Du wohl so gut sein, beifolgenden Brief zu befördern?
Verzeih das Couvert, ich habe aber alles Papier eingepackt.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Dresden
  Empfänger: Pacher, Elise von, geb. List (1162)
  Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
220-225

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides 31a/b;
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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