23.01.2024

Briefe



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ID: 26713
Geschrieben am: Donnerstag 27.03.1856
 

Düsseld. d. 27 März 1856
Meine Mila,
in aller Eile nur wenige Worte! – Ich reise d. 8ten Morgens hier ab nach Ostende, wo man Abends 8 Uhr anlangt und um 11 Uhr Nachts mit dem Londoner Schiff abfährt, das dann am Vormittag d. 9ten 11 Uhr in London eintrifft, wenn die Fahrt gut geht. Will die Dame sich an mich anschließen, so ist’s mir ganz recht, aber irgend Verantwortlichkeiten |2| kann ich nicht auf mich nehmen, umsoweniger überhaupt mich genieren, als ich nicht in der Gemüthsverfassungs [sic] sein werde, mich viel zu unterhalten, denn die Trennung, namentlich von meinem theuersten Freunde Brahms, wird mir unendlich schwer, und mich sehr darnieder beugen; ich trage mein Unglück doppelt schwer, wenn ich Ihn nicht habe, der immer und immer meinen Geist aufrichtet, die Begeisterung zur Kunst |3| immer neu in mir anfacht, kurz in herrlichstem Sinne des Wortes mein Freund ist. Was ich nun leide nach 12 wöchentlicher Trennung, abermals diese lange, kannst Du Dir denken. Ich schreibe Dir dies, damit die junge Dame nicht etwa Ansprüche an liebenswürdige Gesellschaft macht; es reisen aber wahrscheinlich noch 1 oder 2 Damen (Engländerinnen) von hier mit, also findet sie am Ende doch Gesellschaft an Denen.
|3| Will sie nun also mit mir, so muß sie spätestens d. 7ten Abends hier eintreffen, bleibt dann am bequemsten im Hôtel de l’Europe (gleich bei der Eisenbahn) fährt dann am 8ten Morgens zum andern Zuge nach dem Aachner Bahnhof, wo sie mich trifft. Will sie mich selbst Tags zuvor aufsuchen, so ist meine Adresse: Poststraße Nro 1315, 1ter Stock.
Schildere mich Ihr als Brummbär, vielleicht findet sie mich dann etwas besser.
Du schreibst mir wohl noch sicheres darüber.
Ich lege einen Brief der Bennett bei, lies ihn, damit Du siehst, daß ich Deinetwegen nach England geschrieben hatte.
Leb wohl, liebste Emilie! Ich habe unendlich viel zu thuen noch vor England, und einen schweren Entschluß zu fassen – die Veränderung des Aufenthaltes meines geliebten Roberts, dessen Zustand nun seit 21 Monaten ganz derselbe geblieben. Es muß etwas Anderes geschehen! Sprich aber nicht darüber.
Deine Clara.
Ich hab den Brief der Bennett verbrand – Du glaubst es so auch – nicht wahr.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: List, Emilie (962)
  Empfangsort: München
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
313f.

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides 58a/b
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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