Düsseldorf d. 15 Jan. 1857
Meine liebe Emilie,
ich will Dir nicht sagen, welchen Kampf es mich gekostet, die Reise zu Dir abermals aufzugeben, zugleich mit diesem Entschlusse mußte ich auch auf die Freude, meine Kinder in Leipzig auf der Durchreise nochmals zu sehen, verzichten. Aber, es wäre unvernünftig von mir gewesen unter solchen Umständen nach München zu gehen. Schrieb ich Dir, es sey wohl besser, daß ich nicht dort spiele, so geschah das in einem Augenblicke des Unmuthes, doch bei reiflicher Ueberlegung nach Deinem letzten Briefe, den ich in Hannover fand, mußte ich es doch für meine künstlerische Stellung durchaus unwürdig finden, jetzt, nachdem in allen möglichen Blättern meine Kunstreise |2| nach München gestanden, dorthin zu gehen, nicht zu spielen (die ungünstigen Umstände kennt ja nur, wer dort ist) wohl aber in den kleineren darum liegenden Städten. Nein, liebe Mila, da ist’s doch vernünftiger ich warte bis zum Herbst, wenn Alles sich günstiger gestaltet. Es wäre ja Unvernunft von mir gewesen, jetzt, wo meine Nerven in der gereiztesten Stimmung, auch sonst ich von all dem vielen Hin und Herreisen sehr angegriffen bin, eine so anstrengende Reise unternommen hätte, um höchst wahrscheinlich ärgerlichen Hindernissen entgegen zu gehen. Was von oben kömmt, liebste Emilie, darauf gebe ich nicht einen Pfifferling, denn das ist mehr Zufall, als irgend Anderes.
Ich schreibe mit Diesem einige Zeilen an Frl. Then – die Billette behalte an Dich und thue mir die Liebe an Thens alle gehabten Auslagen zu bezahlen, und mir dann zu berechnen. Willst |3| Du so gut sein? überhaupt mir noch gut freund? Ich komme doch noch ein Mal, und dann wird’s besser sein. Du hättest übrigens nicht viel Freude an mir gehabt, unter den Umständen, denn, wo ich nicht thätig sein <s> kann, da halte ich nicht lange aus! ich bin keine Natur, die sich gern pflegt, so zu sagen zur Erholung bei einer Freundin zubringt – das kann ich nicht. Ich hätte vielleicht 2–3 Tage ausgehalten, länger nicht. Im Herbst aber, kann ich ungestört Concerte geben, da bleibe ich dann gern 14 Tage.
Du siehst, daß ich wieder hier bin, und zwar auf Anrathen des Arztes, der mir schon in Leipzig unbedingt Ruhe zu Haus empfahl. Ich muß Einiges gebrauchen, um ganz wieder gestärkt nach England zu gehen.
Nun bitte ich Dich aber dringend schreibe mir gleich wieder, daß Du mir nicht zürnst – ich kann Dir heilig versichern, daß ich schwer um |4| Deinetwillen gekämpft habe. Und, meine armen Kinder, von Denen ich nicht einmal ordentlich Abschied genommen, haben mich schrecklich gedauert! aber Unsinn wäre es gewesen, nur darum noch auf einen Tag nach Leipzig zurückzukehren, wo ich in Hannover schon halb zu Haus war.
Mit Lauterbach spielte ich in Leipzig in einem und demselben Concerte – er spielt sehr schön! wenn ich das sage, so heißt es viel, denn ich bin durch Joachim außerordentlich verwöhnt.
In Leipzig ist es mir sehr gut ergangen, der Aufenthalt hat mich aber furchtbar angegriffen, meine Herzenswunde wurde täglich, stündlich von neuem aufgerissen, hier, wo Alles ja mich an Ihn und meine glückseligsten Stunden erinnerte!
So leb denn wohl, meine liebe Freundin! grüße die lieben Deinen, und habe noch lieb
Deine
Clara.