23.01.2024

Briefe



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ID: 26733
Geschrieben am: Mittwoch 19.12.1860
 

<Leip> Düsseldorf d. 19 Dec. 1860
Meine liebe Elise,
wie viel früher hätte ich Dir schon so gern gedankt, aber ich finde erst hier nach 8 sehr bewegten Wochen in Berlin, Dresden, Leipzig ect. eine Stunde Zeit. Dein lieber letzter Brief hat mich recht innig bewegt – auf Deine Güte für Julie kann ich nichts sagen, könnte ich Dir aber die Hand drücken, Du müßtest den Dank fühlen, wie er aus tiefstem Herzensgrunde kömmt.
Daß Ihr Julie sonst auch lieb habt, freut mich sehr zu hören, ich hoffe |2| aber auch sehr, daß Ihr ihr zuweilen <e> ein ernstes Wort, (denn Fehler hat sie ja genug) nicht versagt, denn das kann ihr nur von großem Nutzen sein, und mir erzeigt Ihr dadurch doppelte Liebe.
Bei dem Zeichnen wollen wir es also lassen, obgleich ich dem, was gewöhnlich die Lehrerinnen sagen noch weniger traue, als den Männern. Aber mit dem Geradehalter kann ich mich noch nicht beruhigen; soll sie einen solchen erst haben, wenn es unumgänglich nothwendig, so ist es meiner Ansicht nach schon zu spät, ob es ihr aber lieb oder unlieb, das <da> kann mich in nichts bestimmen – die Sorge |3| für das Wohl der Kinder wird von Diesen nie erkannt, später zuweilen <>. Also bitte, laß ihr ein ledernes Leibchen, hinten mit einem Geradehalter von Eisen (mit Leder überzogen) vorn aber ohne alles Steife, damit die Brust frei ist, machen; in ein paar Tagen hat sie sich so daran gewöhnt daß sie es gar nicht mehr fühlt. Marie hat auch ein Solches getragen, und sieht man es unter dem Kleide gar nicht. Ich weiß aus Erfahrung, daß sie sich von selbst mit dem besten Willen nicht gerade halten kann. ┌Er wird wohl 5–6 Thaler kosten, doch das thut nichts, gern wende ich es daran. Du läßt es wohl nach ärztlicher Angabe machen? Der <> orthopädische Arzt versteht das am besten. ┐
Ein <So> Frühjahrskleid, sowie noch ein paar Kleinigkeiten für sie, wirst Du von Leipzig aus schon erhalten haben, |4| ich konnte es nicht ermöglichen dazu zu schreiben. Willst Du Julien inliegende Zeilen am Weihnachtsabend mit bescheren. Leider ist für mein Kommen nach München diesen Winter gar keine Aussicht mehr, da ich im Febr. nach Belgien, von da wahrscheinlich gleich nach London gehe; es hat sich gerade in letzter Zeit Alles wieder anders gestaltet, als ich früher dachte. Recht schwer wird es mir, dem Plane zu entsagen, das kannst Du Dir denken.
Julie schreibt mir daß der H. Rheinberger leider keinen guten Unterricht giebt, sie sagt, er lasse sie nie Etwas ordentlich lernen, sondern nehme immer Neues, ehe sie das Alte könne. Das ist |5| ein recht großer Uebelstand, doch, was ist da zu machen? ich weiß es nicht! ich muß es suchen später wieder gut zu machen! wenn sie nur selbst vernünftig ist, und so sorgsam als möglich übt.
Allerlei giebt es noch vor dem Feste zu thuen – ich bin nervös sehr herunter jetzt – Gott weiß, wie ich den Winter aushalte!
Grüße mir doch die gute Mila, Deine liebe Mutter, Deine Kinder Alle, seyd recht vergnügt am Weihnachtsabend, und gedenkt der fernen einsamen Freundin. Sage auch an Emilie 1 000 Dank für Alles und behaltet lieb
Euere getreue
Clara.
Auch an Lina meine Grüße u. Frau Coith.
|6| Noch Eines: Sollte wunderbarer Weise Julie sich wirklich nie mehr krumm halten, so daß ein Geradehalter geradezu unnöthig wäre, so muß sie doch jedenfalls ein ordentliches Corset, hinten mit Fischbeinen, vorn mit Blankschett, bekommen; [(] nicht gewebt, sondern genäht) sie hatte bis jetzt nur ganz leichte Leibchen, die geben keinen Halt. Dann laß ihr aber von gewöhnlichem Schertin[?] zwei Taillen, ganz nach dem Corset geschnitten, machen, sie hält dadurch das Corset noch einmal so lange Zeit rein. Sie kennt diese Leibchen an Marie, die seitdem sie sie hat, die Corsets bedeutend mehr schont.
Verzeihe die schreckliche Prosa.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Pacher, Elise von, geb. List (1162)
  Empfangsort: München
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
389ff.

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides 89a/b/c;
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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