23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 26736
Geschrieben am: Freitag 12.04.1861
 

Düsseldorf d. 12 April 1861
Liebste Elise,
noch habe ich Dir nicht gedankt, für das viele Liebe, das Ihr jetzt wieder Julien angethan – könnte ich es nur so, wie ich es möchte, es klingt aber Alles so lahm! ich habe viel darüber nachgedacht, ob ich nicht Euch Alle besuchen könnte, ob ein Concert mir vielleicht die Kosten dieser Reise brächte! es ist aber spät in der Jahreszeit, und ein Bedenken ist es doch, ob die Trennung nachher Julien nicht doppelt hart wäre. Sie schreibt mir, Ihr Alle überschüttet sie mit Liebe, ihre Sehnsucht nach mir und |2| ihren Geschwistern wäre doch aber oft so groß, und dann dächte sie, sie sähe uns nie wieder. Nun, ich weiß, daß wenn Du einen irgend nachtheiligen Einfluß merktest auf ihre Gesundheit, Du es mir gleich mittheilen würdest, bin also durchaus nicht dadurch beunruhigt. Aber einiges Andere macht mir Sorge! wie wird es mit dem Unterricht in Schönau? kann sie da die Sprachen fortführen? und was soll mit der Musik werden? das ist meine größte Sorge, denn jetzt muß sie tüchtig daran, es ist die höchste Zeit, will sie es technisch noch zu Etwas <f[?]> bringen. Ich habe in Wien eine Schülerin Frl. v. Asten, ein recht liebes Mädchen, Der vertrauete ich sie gern an, aber auf welche Weise wäre das zu machen? |3| Ist Wien nahe genug, um daß sie wöchentlich zwei Mal dahin fahren könnte, oder ein Mal wenigstens auf einen ganzen Tag? da könnte sie bei sehr lieben Freunden von mir bleiben, und immer zwei Stunden Clavier (d. h. eine Stunde 4 händig spielen und eine Stunde Solo) und eine Theoriestunde nehmen. Bitte, liebste Elise, überlege das einmal, und schreibe mir Deine Ansicht. – Wann habt Ihr denn eigentlich die Absicht nach Schönau zu gehen?
Wie findest Du denn Juliens Fortschritte in der Musik? turnt sie auch fleißig? und wie wird es mit der Heilgymnastik? Sey nicht bös, daß ich Dich so Vieles frage, aber was Alles liegt mir auf dem Herzen! |4| In Deinem letzten lieben Brief stand aber Etwas, wogegen ich mich vertheitigen [sic] muß, denn Du hast mir Unrecht gethan. Ich habe Julie nie gescholten, weil sie sich nach Nachricht von mir sehnt, sondern, weil sie traurig war, wenn ich nicht jedes Mal selbst schrieb, denn das ist wirklich unmöglich! denke, ich habe zu schreiben an die Jungen, an Elise (und zuweilen doch auch an Frau Böking) an die Kleinen und Frl. Werner, ich muß mich also ablösen lassen, und Du weißt wie Kinder sind, die muß man immer zum Schreiben drängen, <und> so geht es auch mit Marie, wenngleich 19 Jahr, steht sie doch noch mit einem Fuße im Kinderschuh.
Was Du mir sonst über Julie schriebst hat mich auf das innigste erfreut – ich |5| wußte es immer, daß sie ein liebes Kind ist, und hatte immer gerade für sie eine ganz besondere Sympathie; sie hat in ihrem Character doch manches Aehnliche mit mir – findest Du nicht?
Ich lege einige Zeilen an Dr Pfeuffer bei – ich habe nun einmal Zutrauen zu Ihm, schwierig ist’s freilich aus der Ferne rathen.
Mein Erfolg in Belgien war ein schöner, ich hatte die Freude dort zu machen, was noch nie einem Instrumentalisten gelungen, das Publikum mit guter Musik bis zum größten Enthusiasmus hinzureißen. Ich gab dort 3 Concerte und habe nun diesen Winter doch so viel verdient, daß ich bis Octbr. auskommen kann, darum bin ich auch nicht nach England gegangen, denn das wäre nach dem angestrengten Winter doch recht hart noch gewesen.
Eben kommt Juliens Brief, woraus ich ersehe, daß Ihr |6| erst im Juni nach Schönau geht. Sie schreibt mir u. A. daß <> sie Dich jeden Tag lieber habe! – Daß Ihr sie aber so reich beschenkt ist zwar sehr gütig von Euch, aber recht ist’s mir nicht, es ist viel zu viel auf einmal! – Nun, das sind Ansichten. Ihr habt Ihr Alle große Freude bereitet, und das ist ja der Zweck gewesen.
Ich will Julien noch einige Zeilen schreiben, sage Dir daher jetzt Adieu.
Nehmt Alle nochmals den innigsten Dank von mir, grüße Mutter und Mila recht von Herzen und sey umarmt von
Deiner
getreuen
Clara.
NB. Denke Dir die Jungen muß ich ganz entschieden fortnehmen v. Breusing, da er – trinkt! ist das nicht traurig? und nun muß ich sie doch bis Michaelis dort lassen, sonst verliere ich wieder 100 Thl und im Sommer geht es auch in Berlin noch nicht.
Wie lange bleibt Ihr in Schönau?
Bitte doch H. Rheinberger, daß er Julien nicht das ital Concert v. Bach spielen läßt – dazu hat sie vielleicht einmal in 10–15 Jahren die geistige Reife – jetzt nicht. Sie soll doch Beethoven, Mendelsohn spielen.
Wenn Julie nach meinem Briefe traurig ist, so glaube nicht, ich hätte sie gescholten – ich habe ihr nur geschrieben, daß sie den Sommer nicht zu mir kann, und ihr die Gründe auseinander gesetzt.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Pacher, Elise von, geb. List (1162)
  Empfangsort: München
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
397-400

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides 92a/b/c;
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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