23.01.2024

Briefe



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ID: 26739
Geschrieben am: Samstag 15.06.1861
 

Spa d. 15 Juni 1861
Herzlichen Dank, meine liebe Mila, für Deine Zeilen, nun fehlt mir nur noch das Gleiche von Elisen, um daß ich ganz beruhigt bin. Von Julie hatte ich schon Brief, und freute mich sehr, daß es ihr so gut in Schönau gefällt – ich hatte keine Ahnung davon, daß es dort so schön, habe mir die Gegend immer ganz flach gedacht. Wer weiß, was geschieht, vielleicht überrasche ich Euch Alle dort einmal, aber nicht ohne meine Marie, dazu entschlösse ich mich nicht – Ihr hättet aber wohl keinen Platz für Zwei? Ich bitte Dich aber, sprich nie ein Wort von dieser Idee, denn dadurch |2| versetzten wir Julie in eine große Unruhe, und wer weiß, ob es nicht unterbleibt. Was Ihr so nennt, recht erholen auf dem Lande, die Gesundheit pflegen, diese Wohlthat zu empfinden ist mir so ganz fremd, ich halte die Ruhe nicht lange aus, da verfalle ich einer Melancholie, die dann schrecklich ist. Ich fühle das schon jetzt hier – die Einsamkeit hier ist mir so fürchterlich, daß ich oft ganz schwer[?] athme, als hätte ich Lasten auf mir! da kommen all die trüben Gedanken, das viele Schreckliche, das ich erlebt, lebe ich dann wieder durch, und die Sehnsucht nach meinem Robert wird dann so heftig, daß ich mich oft kaum zu fassen weiß. Mit Ihm ist doch mein Glück erloschen, wirklich froh sein, das kann ich nicht mehr! – Was Du mir darauf entgegnest weiß ich – nun, darum lebe ich ja auch überhaupt noch.
|3| Die Kinder haben meine Thatkraft erhalten, sonst wäre es wohl längst aus. Verzeihe, daß ich Dir hier vorklage – Gott weiß, ich thue es jetzt so selten, aber es ist mir diese Tage wieder ’mal so sehr trübe um’s Herz, zum zerspringen.
Die Photographien schicke ich Dir hierbei, die von Mendelssohn existirt aber, so viel ich weiß, nicht. Kann ich einmal Eine erlangen, so soll Elise sie haben. Von meinem Robert kann ich Dir nur Eine schicken, da es meine Letzte – ich muß später einmal wieder Einige machen lassen. Diese dürfen nämlich nicht verkauft werden, nur ich kann mir Deren machen lassen. Also Diese bis später für Dich, meine Mila.
Ach wie freute es mich, könnte ich Euch einmal in Ruhe sehen – vorigen Sommer, das war so eine Hetzerei, und da hattet Ihr immer die Sorge um die Kinder! wäre es nur nicht so weit. |4| Einen Gefallen könntest Du mir thuen, wenn Du ein paar Worte an Frl. Werner nach Berlin über Blankenese schriebest, nur daß ich Dich gebeten, Ihr einige Auskünfte über den Aufenthalt dort zu geben; dann schreibe Ihr nur, ob das Leben dort angenehm, die Bäder gut, und wie hoch ohngefähr die Preise. Sie will Anfang July dahin, ich hatte Ihr aber versprochen, mir von Dir Auskunft geben zu lassen – einfacher ist es ja nun, Du schreibst es Ihr, mir zur Liebe, direct – ganz kurz nur.
Fräulein Elisabeth Werner, Berlin Schöneberger Ufer Nro 22, 3ter Stock.
Nun sey mir herzlichst umarmt meine liebe Emilie, und bleibe immer gut
Deiner
alten
Clara.
Marie will sich Dir auch empfohlen wissen.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Spa
  Empfänger: List, Emilie (962)
  Empfangsort: Schönau
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
406ff.

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides 94a/b
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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