23.01.2024

Briefe



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ID: 26746
Geschrieben am: Sonntag 29.06.1862
 

Münster d. 29ten Jun. 1862.
Verehrte theure Frau,
Wie glücklich wäre ich, könnte ich an Ihrem Geburtstage bei Ihnen seyn, und Ihnen selbst meine innigsten Wünsche bringen; es ist mir eine schmerzliche Entbehrung, daß Dem nicht so sein kann, aber schriftlich muß ich es wenigstens thun, und Sie bitten, die Wünsche, die aus einem Herzen kommen, das mit heißer Liebe und Verehrung an Ihnen hängt, freundlich aufzunehmen. Was sollte ich Ihnen noch wünschen können, die Sie so Unersetzliches verloren haben; ich kann nur Gott bitten, Sie Allen, denen Sie so theuer sind, noch recht recht lange zu erhalten, und Sie den unermeßlichen Schmerz, den Sie bis jetzt getragen, leichter tragen zu lassen. Für mich auch habe ich noch einen Wunsch, eine Bitte an Sie, und zwar Die, mir Ihre liebevolle Theilnahme, die Sie mir bis jetzt erwiesen, auch noch ferner zu erhalten; ich habe sie zwar mit |2| Nichts verdient, und doch macht es mich so unbeschreiblich glücklich, wenn ich glauben darf, daß Sie meiner manchmal mit Liebe gedenken; wäre es mir nur einmal vergönnt, Sie theure Frau, wiederzusehen, ich mein’, es müßte dann in mir Alles anders werden. Einigemale schrieb mir Hedi, daß Sie vielleicht in die Schweiz gingen; wie schön habe ich mir da Alles ausgemalt, und wie hatte der Gedanke an die Möglichkeit eines Wiedersehens mich gar so glücklich gemacht; ich hätte aber meinen kühnen Hoffnungen nicht zu viel Raum geben, nicht etwas glauben sollen, was für mich zu viel Freude gewesen wäre; die Enttäuschung wäre für mich auch dann nicht so schmerzlich gewesen, als ich erfuhr, daß Sie nicht in die Schweiz kämen, Doch ich weiß, Sie möchten nicht, daß ich mich beherrschen lasse, und ich will Ihnen versprechen, |3| es auch nicht zu thun, sondern so schwer es mir auch werden wird, will ich mich selbst beherrschen, und mich in dem Gedanken trösten, daß wenn nicht jetzt, es doch später vielleicht noch einmal seyn kann, wenn es Gottes Wille ist.
Wir sind seit beinahe vier Wochen hier in Münster, wie Ihnen Hedi mal erzählt haben wird; die Gegend ist ganz herrlich, doch konnten wir bis jetzt, wegen des anhaltend schlechten Wetters nicht viel davon genießen. Hoffentlich haben wir es im Juli besser, denn in der Schweiz ist schönes Wetter die Hauptsache.
Zum Schlusse meines Briefes komme ich nun noch mit einem kleinen Geständniß. Ich hatte Ihnen zu Ihrem Geburtstage, in der Hoffnung, Ihnen eine kleine Freude zu bereiten einen Kragen gearbeitet; Dieser ist nun, zu meiner Betrübniß von einer ungeschickten Wäscherin ganz verdorben |4| und zerrissen worden, so daß ich es nicht wagen darf, Ihnen Denselben zu schicken. Meine größte Freude wäre es gewesen, ihn durch eine kleine Handarbeit zu ersetzen, doch hat mir der Arzt all dergleichen Dinge zu machen, ganz verboten; Ich hoffe aber, sobald es mir möglich ist, den kleinen Unfall gut machen zu können, und bitte Sie, einstweilen leider nur den Willen als die That anzusehen.
Von Mama soll ich Ihnen die herzlichsten Grüße und Wünsche sagen; sie würde es selbst thun, doch ist sie sehr beschäftigt, da sie nächste Woche in einem Concert in Kreuznach spielt, und viel hin und her zu schreiben hat. An Frl. Emilie bitte ich Sie sowol von Mama als von mir viele Grüße zu sagen, und seyen Sie selbst, theure verehrte Frau, innig umarmt von Ihrer Sie aufrichtig verehrenden
Julie Schumann.

  Absender: Schumann, Julie (37650)
  Absendeort: Münster am Stein
  Empfänger: Pacher, Elise von, geb. List (1162)
  Empfangsort: München
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
426ff.

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides 100a/b;
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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